LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Motioncontroller, Endstufen, mechanische/induktive Endschalter etc.
MagnusP
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LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von MagnusP » 20.06.2021, 22:04

Hallo zusammen,

wie viele andere auch verbringe ich die gewonnene Zeit gerade damit, mir einen kleinen Traum zu erfüllen und baue meine eigene Fräse. Das meiste habe ich schon, nur eines habe ich bis jetzt aufgeschoben: Die Steuerung.

Ich habe insgesamt vier JMC closed loop stepper (die y-Achse hat zwei). Ich würde gerne LinuxCNC benutzen, weil bei mir alles andere auch unter Linux läuft.

Allerdings habe ich Schwierigkeiten herauszufinden, welche Hardware ich genau brauche. Mesa-Karten habe ich natürlich gefunden, aber es gibt da so viele verschiedene und ich bin darum etwas überfordert. Parallel-Port schein theoretisch auch zu gehen, ist mir aber ehrlich gesagt ein bisschen zu steinzeitlich. Ethernet scheint ein gängiger Anschluss zu sein und das wäre für mich auch interessant; Laptops/Coputer mit so einem Anschluss habe ich noch.

Darum, kurz und bündig, welche Hardware würdet ihr mir empfehlen, um LinuxCNC zu benutzen?

Tilman
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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von Tilman » 21.06.2021, 09:20

Welche Mesa-Karte die richtige ist, ist eigentlich immer eine Frage der eingesetzten Hardware. Am besten scrollst Du einfach mal bei http://www.mesanet.com durch die "Anything I/O FPGA Cards", um Dir einen Überblick zu verschaffen.

Die wohl gängigste Mesa-Karte ist die 7i76e, da sie kaum Wünsche offen lässt. Wie fast alle anderen Mesa-Karten lässt sie sich auch problemlos durch SmartSerial-Karten erweitern. Ich habe z.B. neben der 7i76e in der Steuerung eine 7i84 in der Tastaturschublade, um nicht sämtliche Taster und LEDs einzeln verkabeln zu müssen.

Aber auch wenn die Mesa-Karten dank eigenem FPGA keine große Rechenleistung vom PC erwarten, wirst Du höchstwahrscheinlich mit einem Laptop nicht glücklich. Es gibt ausnahmen, bei denen es gut läuft doch im Allgemeinen spucken Dir die vielen Stromsparfunktionen in die Suppe. Ein alter PC, der zu sonst nichts mehr taugt, ist da meistens die bessere Wahl.

Viele Grüße
Tilman

MagnusP
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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von MagnusP » 21.06.2021, 20:43

Tilman hat geschrieben:
21.06.2021, 09:20
(…)

Die wohl gängigste Mesa-Karte ist die 7i76e, da sie kaum Wünsche offen lässt. Wie fast alle anderen Mesa-Karten lässt sie sich auch problemlos durch SmartSerial-Karten erweitern. Ich habe z.B. neben der 7i76e in der Steuerung eine 7i84 in der Tastaturschublade, um nicht sämtliche Taster und LEDs einzeln verkabeln zu müssen.

Aber auch wenn die Mesa-Karten dank eigenem FPGA keine große Rechenleistung vom PC erwarten, wirst Du höchstwahrscheinlich mit einem Laptop nicht glücklich. Es gibt ausnahmen, bei denen es gut läuft doch im Allgemeinen spucken Dir die vielen Stromsparfunktionen in die Suppe. Ein alter PC, der zu sonst nichts mehr taugt, ist da meistens die bessere Wahl.

Viele Grüße
Tilman
Danke, das ist schon mal sehr hilfreich. Also wird LinuxCNC so gut wie ausschließlich über Mesa-Karten oder Parallel-Ports benutzt?

Unter Anderem wegen der Laptop-Problematik wollte ich lieber einen Raspberry Pi verwenden, der hat ab RasPi 4 wohl auch "echtes" Ethernet (also kein umgebratener USB-Anschluss). Ansonsten stimmt schon, billige alte Rechner gibt es ja geradezu zum Materialpreis. Damit hat sich dan auch der zweite Grund erledigt, warum ich lieber einen Pi will; einen Laptop hab ich mir in meiner Werkstatt nämlich schon gegrillt (Stahlwolle in der Luft und aktive Kühlung –ganz böse Mischung).

Ich habe noch eine recht dumme Frage: Ich bin bei meinen Recherchen unter Anderem auch über das Protoneer CNC-Board gestolpert, welches sich mit einem Raspberry Pi verbindet. LinuxCNC geht darüber nicht, aber bCNC/GRBL. Und ich frage mich, wo der große Preisunterschied (279 Euro für eine Mesa-Karte, gegen 55 Euro für ein Protoneer board) sich niederschlägt; also ganz am Ende sozusagen: Was sind die Konsequenzen aus der billigeren Steuerung? Mangelnde Präzision? Langsamere Geschwindigkeiten? Schlechtere Oberflächen?

Tilman
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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von Tilman » 23.06.2021, 10:30

Es haben wohl schon einige LCNC auf dem RPi zum Laufen gekriegt aber es ist halt letztendlich doch wieder Gebastel oder Spielkram. Warum nicht einfach einen kleinen ausgemusterten Office-PC? Diese Mini-PCs haben auch meistens nur einen kleinen CPU-Lüfter, der nur bei Bedarf anläuft. Alternativ gibt es komplett passiv gekühlte PCs. Ich habe ein Lenovo m73 Tiny und bin damit absolut zufrieden. Klein, fast kein Lüfterlauf und bei üblichen Quellen wie eBay ständig für unter 100 Euro zu haben.

Ich habe fast 10 Jahre lange beruflich Carbon zerspant und obwohl ich unter Wasser gefräst habe, ist eine geringe Staubentwicklung nie gänzlich zu vermeiden. Trotzdem ist das Mainboard meines damaligen (normal belüfteten) PCs erst nach 8 Jahren abgeraucht. Aus dem Grund würde ich kein zu großes Tamtam um elektrisch leitenden Staub machen. Man kann - wie in Deinem Fall - natürlich auch Pech haben aber in der Regel bist Du mit einer vernünftigen Platzierung des PC (zum Beispiel unter der Tischplatte) schon ziemlich auf der sicheren Seite. Gerade bei Stahlwolle würde ich mir außerdem viel mehr Sorgen um die Linearschienen und Spindeln machen, denn die leiden auf Dauer ebenso unter solchen Stäuben, kosten ein Vielfaches eines alten PCs und sind nur mit deutlich mehr Arbeitsaufwand zu tauschen.

Der Unterschied zwischen bCNC und LinuxCNC ist relativ einfach erklärt: Das eine ist ein Spielzeug, das andere kannst Du problemlos professionell einsetzen. LinuxCNC wird seit langer Zeit von einer großen Community entwickelt und ist unglaublich stabil und sicher. Schon eine mittelmäßige Käsefräse hat eine nicht zu unterschätzende Kraft und kann immensen Schaden an Gegenständen und Personen anrichten. Ich habe damals zuerst Mach3 ausprobiert und erlebt, wie es ist, wenn eine Maschine eigenständig ungeplante Dinge tut. Das ist alles andere als lustig.

Mit LinuxCNC hast Du ein Echtzeitsystem, das langfristig zuverlässig läuft. Meine alte Fräse hatte über 10.000 Betriebsstunden drauf und es gab in all den Jahren kein einziges Ereignis, das irgendwie merkwürdig oder besorgniserregend war. Wenn die Maschine etwas Ungewolltes gemacht hat, lag der Fehler beim Ersteller des Codes. Sprich: bei mir.

In Kombination mit einer Mesa-Karte hast Du einfach ein unheimlich mächtiges Werkzeug. Die 7i76e arbeitet in der Regel mit 24V, was den Einsatz von Industriekomponenten (Initiatoren, Relais usw) erlaubt. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Mit LinuxCNC und einer Mesa-Karte sind Dir sicherheitstechnisch praktisch keine Grenzen gesetzt. Es lässt sich alles abfragen oder überwachen und je nach persönlicher Anforderung ein entsprechendes Sicherheitskonzept entwickeln.

Viele Grüße
Tilman

MagnusP
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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von MagnusP » 26.06.2021, 14:24

Hm, da werde ich wohl noch mal in mich gehen. So wesentlich komplexer wird die Herangehensweise per Mesa ja auch nicht sein. Und stimmt, das protoneer board ist primär für Aufsteckendstufen entwickelt, die für alles über Nema 17 eh unterdimensioniert sind.

Blöd nur, dass das 7i76e gerade in Deutschland ausverkauft zu sein scheint (ich habe es allerdings auch nur bei Welectron gefunden).

Was ist denn der Unterschied zum 7i96? Einfach die Anzahl der Anschlüsse?

Und was ist eigentlich der technische Unterschied zwischen "sourcing" und "sinking", also dem 7i76e und dem 7i76ed? Dass es etwas mit der "Stromrichtung" zu tun hat habe ich verstanden, aber die Konsequenzen sind mir unklar.

Tilman
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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von Tilman » 27.06.2021, 09:42

Mesa-Karten findet man leider nicht überall, das ist leider so. Mit etwas Glück hat welectron.com Lagerbestand, ansonsten eusurplus.com. Meistens muss man etwas Geduld haben.

Welectron hat in der Produktbeschreibung eine ziemlich gute tabellarische Modellübersicht, die sich unten über "erweiterte Spezifikationen" noch ausklappen lässt: https://www.welectron.com/Mesa-Electron ... Controller. Mir persönlich wäre die 7i96 zu knapp, was die Zahl der I/O betrifft. An meiner 7i76e sind 11 Ein- und 12 Ausgänge in Benutzung. Sobald Du die 7i96 erweitern musst, bist Du schon über dem Preis der 7i76e. Hinzu kommt, dass die 7i96 5V Versorgungsspannung braucht, was ein zusätzliches Netzteil bedeutet. Die 7i76e lässt sich dagegen vom gleichen 24V Netzteil speisen, an dem auch alle anderen Verbraucher hängen.

Der Unterschied zwischen sinking und sourcing ist einfach erklärt: Sourcing schaltet Spannung und sinking schaltet Masse. Bei Relais und ähnlichen Verbrauchern ist das noch okay, doch spätestens bei Halbleitersensoren will das keiner.

Viele Grüße
Tilman

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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von MagnusP » 27.06.2021, 14:20

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten, das hilft mir sehr weiter. Bei eusurplus ist die 7i76e gerade zu haben, da lange ich dann mal direkt zu. Und da meine Aluprofillieferung eh auf sich warten lässt, habe ich auch genug Zeit um mit der Elektronik herumzuspielen. Konkretere Fragen werden sich da sicher noch ergeben (ein Blick auf den Plan der Mesakarte und auf die Anschlüsse des JMC steppers lassen z.B. eine Reihe von Anschlüssen unbelegt; das ergibt sich dann aber voraussichtlich beim Zusammenbau mehr oder weniger von selbst).

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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von Tilman » 27.06.2021, 23:22

Ich nehme an, Du meinst das Enable- und das Alarm-Signal.

Enable wird heute aus irgendwelchen Gründen recht stiefmütterlich behandelt. Bei den meisten CL-Steppern oder Servos ist es per Default invertiert. Sprich: Wenn Spannung anliegt, wird die Endstufe disabled. Dadurch kann man die Endstufe auch ohne dem Signal betreiben. Die Mesa-Karte bietet hier immerhin die Sicherheit, dass bei deaktiviertem LinuxCNC (E-Stop o.ä.) die Step- und Dir-Ausgänge zu Eingängen umgeschaltet werden, so dass gar keine Signale mehr zur Endstufe gelangen können.

Mir hat das dennoch nicht gereicht. Ich habe das Enable-Signal in der Endstufenkonfiguration geändert, damit die Endstufen bei anliegendem Enable-Signal aktiviert sind. Das ist in der Regel 5V. Die Mesa-Karte hat zwar für jede Achse einen 5V-Pin, doch blöderweise werden diese 5V permanent ausgegeben. Es ist daher noch ein Relais erforderlich, das von einem Ausgang der Mesa-Karte gesteuert wird und die 5V zu den Enable-Eingängen der Endstufen durch schaltet. Hier reicht jedoch ein Relais, da es keine sinnvolle Konstellation gibt, in der irgendwelche einzelnen Endstufen en- oder disabled werden.

Das Alarm-Signal von den Endstufen legst Du jeweils auf einen Eingang der Mesa-Karte. Mehr ist da nicht nötig, um die Signale in LinuxCNC auszuwerten.

Viele Grüße
Tilman

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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von wusel0464 » 28.06.2021, 19:18

Hallo,

kommt bei eusurplus noch irgendwelche Steuern oder ähnliches hinzu?
Bin auf deren Seite nicht wirklich schlau geworden.
Ich liebäugele auch etwas damit den Parallelport in Rente zu schicken.

Danke im voraus Frank.

MagnusP
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Re: LinuxCNC – welche hardware brauche ich?

Beitrag von MagnusP » 29.06.2021, 11:58

wusel0464 hat geschrieben:
28.06.2021, 19:18
Hallo,

kommt bei eusurplus noch irgendwelche Steuern oder ähnliches hinzu?

(…)
Ja, und zwar ziemlich happig (23%) und Versand ist auch nicht gerade geschenkt (ca. 14 € für den langsamen). Welectron ist wohl günstiger, wenn du die Geduld hast (oder eine Karte willst die die gerade haben).

Allerdings, falls du das hier noch rechtzeitig liest, es gibt von denen offensichtlich gerade eine Promo-Aktion:

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