Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

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Terry
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Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

Beitrag von Terry » 25.01.2021, 11:38

Guten Tag zusammen.

Ich beschäftige mich schon länger mit CNC-Technik und verfüge neben 3D Druckern über 2 CNC-Fräsen eine davon Eigenbau.
Da ich mich beruflich verändere, und damit auch meine Wohnsituation, möchte ich ein Projekt anstoßen, auf ca.3 Jahre ausgelegt, das den Anforderungen an eine Bastelbude im Mietshauskeller besser entspricht: Eine CNC-Drehbank mit Fräskapazität und Schwerpunkt auf Eliminierung der Schwingungen und Entkopplung von der Umgebung. Es wird daher ein UHPC Projekt. Ich plane mit einem 125-150iger Futter, einer drehbare Länge von ca.350mm.
Den Reitstock möchte ich ebenfalls elektrisch verfahrbar gestalten.
Um das Ganze nicht zu einfach zu gestalten, möchte ich den Versuch wagen, angetriebene Werkzeuge im Werkzeugrevolver einzusetzen.

Es ergeben sich dabei grundsätzliche Fragen zur Machbarkeit mit denen ich mich an Euch bezüglich einer Einschätzung richten möchte:

Ist es möglich mit einer Servospindel (als Hauptspindel) wie dieser: https://eximautomation.de/AC-Servomotor ... 500W-716NM ohne weitere Übersetzung (Kleinteile = hohe Drehzahl) für kleinere Fräsarbeiten genug Haltemoment zu nutzen?
(Überschlägig 7 Nm Moment entspricht 70N Bearbeitungskraft bei 10cm Radius, ich kann nur den Einfluss der Schwingungen nicht dahingehend abschätzen, wie erfolgreich ein letzter Feinschlichtgang ist. Eine Bremse verhindert leider eine vollwertige 4-Achs Bearbeitung.)

Da ich meine Steuerungen bisher mit Mach 3 und ESS betrieben habe bin ich nicht im Bilde, welche umfangreicheren Hobbysteuerungen es gibt die mehr Ausgänge haben:
Servomotoren:
1)Hauptspindel
2+3)X&Z-Achse
4)Reitstock
5)Werkzeugrevolver mit Schneckenrad (lässt sich das spielfrei realisieren?)
dazu der Antriebsmotor für die Werkzeuge (Fu Ansteuerung)

Der Ess unterstützt zwar 6 Achsen aber wenn ich noch Extras einbauen möchte wie umfangreichere Sensorik, Schließaktoren für die Türen, falls notwendig einschwenkbaren Positionierantrieb für die Hauptspindel, nachgerüstete Gegenspindel, Bremsen an den Servos, Kühlmittelpumpe, MMS Ventile, Beleuchtung, Kühlung&Belüftung, Abzug von Aerosolen etc etc übersteigt das die Möglichkeiten.
Kennt ihr dafür eine brauchbare und evtl. erweiterbare Plattform?


Mir ist bewusst, dass das Projekt ambitioniert ist und die Details noch große Hürden bereithalten (sowas z.B. wie eine feinstgewuchtete Hauptspindel mit Futteraufnahme, weil ich ja die Vibrationen minimieren möchte), aber wenn es generell realisierbar ist, möchte ich es wagen.

Ich würde mich sehr über ein Feedback zu den genannten Punkten freuen.
Vielen Dank und schöne Grüße

Terry

django013
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Re: Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

Beitrag von django013 » 25.01.2021, 16:14

Moin Terry,

nicht alles was möglich ist, ist auch sinnvoll.
... ich kann nur den Einfluss der Schwingungen nicht dahingehend abschätzen, wie erfolgreich ein letzter Feinschlichtgang ist.
Die Schwingungen beim Schlichtgang kannst Du getrost vergessen. Viel wichtiger (und zerstörender) sind Schwingungen beim Schruppen. Beim Schruppen wird viel Material zerspant, d.h. hier wird ein Fräser richtig belastet.
Beim Schlichten wird dagegen nur ein kleiner Span gezogen. Dabei kommt es drauf an, dass der Fräser scharf ist und gut schneidet. Wenn der Fräser "etwas" eiert, ist das kein Problem, das kann man mit Drehzahl und Vorschub kompensieren.

Bei uns im Betrieb haben wir nicht genug Weldon-Aufnahmen, weshalb der Rest mit Spannzangen gespannt werden muss. Zu den Standardwerkzeugen gehört ein HPC-Schrupper und ein HPC-Schlichter.
Dem Schlichter ist es egal, ob er in einer Spannzange oder einem Weldon-Futter gespannt ist. Bei der Oberfläche kann man keine sichtbaren Unterschiede feststellen.
Wenn aber der HPC-Schrupper nicht im Weldon-Futter sondern in einer Spannzange läuft, dann ist die Lebensdauer nur wenige Stunden gegenüber einigen Wochen im Weldonfutter.
Eine Bremse verhindert leider eine vollwertige 4-Achs Bearbeitung.
Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht!
Schau mal hier. Ist ein Mehrteiler über den Bau einer Drehachse mit Bremse und Einsatzmöglichkeit als Drehbank und als indizierte Achse.
Ist schon etwas älter, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt.
Inzwischen gibt es auch noch einige Verbesserungen ...

Maschinenbautechnisch dürfte beides machbar sein: eine Drehe mit angetriebenen Werkzeugen oder eine Fräse mit 4. Achse, wenngleich angetriebene Werkzeuge vibrations- und spielfrei anzutreiben nicht gerade trivial ist.
Steuerungstechnisch ist die Fräse mit 4. Achse bereits mehrfach umgesetzt und erprobt, wogegen die Drehe mit angetriebenen Werkzeugen ...
... im Hobbybereich habe ich davon noch nix gelesen.

Linuxcnc unterstützt mehrere angetriebene Achsen und ganz bestimmt auch angetriebene Werkzeuge im Revolver. Ob allerdings die Steuerung die Mantelabwicklung auf eine Ebene beherrscht ist mir nicht bekannt.
Um die Stirnfläche zu fräsen, bzw. zu bohren ist bei der Drehe auch eine Umrechnung der Koordinaten notwendig.

Deshalb würde ich Dir empfehlen, nochmal drüber nachzudenken, ob eine Fräse mit 4.Achse nicht auch Deine Bedürfnisse erfüllen könnte.
Wenn ich mir recht entsinne, hat hier jemand vor kurzem gezeigt, wie drehen auf der Fräse geht.

Gruß Reinhard

Terry
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Re: Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

Beitrag von Terry » 25.01.2021, 19:18

Guten Abend Reinhard,

vielen Dank, dass du Dir die Zeit genommen hast. Auf die Videoreihe werde ich bestimmt nocheinmal für die Konstruktion der Hauptspindel zurückgreifen.
Eine meiner Fräsen verfügt bereits über eine 4. Achse und ich vermisse immer die Möglichkeit zur Stirnseitenbearbeitung in einer Aufspannung. War auch schon am überlegen mir ne 5 Achs zu bauen, die steht in Konkurrenz zu dem Projekt was ich mir jetzt vorgenommen hab.

Der ursprüngliche Gedankengang war: Ich brauch dringend was Anspruchsvolles zum Entwickeln um mich von der Arbeit zu entspannen. --> Hm, konv. Drehbank, CNC- Fräsen Bohrmaschine etc.. alles da, aaaber alles zu laut ums ins Mietshaus zu stellen. --> Was fehlt? Ah ja, die CNC-Drehbank. -->Bauste die halt, aber möglichst leise, damit wenigstens eine Maschine in greifbarer Nähe ist.
Wenn man schonmal dabei ist dann soll auch ein ATC, einfachste Form:Revolver dabei sein. Oha, mit angetriebenen Werkzeugen gibts ja die Möglichkeit wieder eine Lücke im Equipment zu schließen und hat eine 360° + Stirnseitenbearbeitung in einem Schritt. Soweit zu meiner Motivation.
Dabei hat die Version noch den Vorteil, im gegensatz zum Dreh-Fräs-Bearbeitungszentrum, dass man sich die 3-Achsenkonstruktion und eine ATC-Spindel mit Resolver und Bremse sparen kann, die sicherlich richtig teuer wäre.
Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht!
Naja, wenn die Bremse aktiv ist, kann sich die Hauptspindel sich nicht drehen, wenn eins der angetriebenen Werkzeuge im Eingriff ist. Das ist meine größte Sorge, dass der Hauptspindelservo dabei nicht stark genug ist. Vorallem weil ich auf den Drehstromanschluss für die Maschine verzichten will, um sie überall aufstellen zu können.
Um die Stirnfläche zu fräsen, bzw. zu bohren ist bei der Drehe auch eine Umrechnung der Koordinaten notwendig.
So wie ich das kenne muss die Steuerungssoftware nur die G-Codes umsetzen, das Koordinatengeschwafel kommt vom Cam und die Steuerungselektronik müsste in meinem Fall halt überdurchschnittlich potent sein.

Wie gesagt, nochmals Danke, ich hab wohl noch einige Grundsätze zu klären bevor ich damit ins CAD darf. Muss mich auch nochmal nach nem Free-FEM Tool umsehen, auf Nastran etc. hab ich leider keinen Zugriff mehr :/

django013
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Re: Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

Beitrag von django013 » 26.01.2021, 05:05

Oha, mit angetriebenen Werkzeugen gibts ja die Möglichkeit wieder eine Lücke im Equipment zu schließen und hat eine 360° + Stirnseitenbearbeitung in einem Schritt. Soweit zu meiner Motivation.
Yo, die Überlegung gibt es auch bei jeder 5-Achs Konstruktion.
Du hast prinzipiell zwei Möglichkeiten: entweder das Werkzeug anstellen, oder das Werkstück verdrehen.

Ein beidseitig gelagerter Schwenktisch ala Hermle ist mit Hobbymitteln und überschaubaren Kosten realisierbar. Eine schwenkbare Spindel ausreichend steif zu bekommen bedeutet jede Menge Speziallager die entsprechend viel kosten - aus dem Bauch heraus deutlich höherer Aufwand.
Dabei hat die Version noch den Vorteil, im gegensatz zum Dreh-Fräs-Bearbeitungszentrum, dass man sich die 3-Achsenkonstruktion und eine ATC-Spindel mit Resolver und Bremse sparen kann, die sicherlich richtig teuer wäre.
Wie gesagt - ich denke, das Gegenteil trifft zu.
Um das wirklich zu sehen, solltest Du mal beide Varianten konstruieren, also zeichnen und durchrechnen. Zum Durchrechnen gehört nicht nur die Festigkeit berechnen, sondern auch Bezugsquellen finden und Preise kalkulieren.
Naja, wenn die Bremse aktiv ist, kann sich die Hauptspindel sich nicht drehen, wenn eins der angetriebenen Werkzeuge im Eingriff ist. Das ist meine größte Sorge, dass der Hauptspindelservo dabei nicht stark genug ist. Vorallem weil ich auf den Drehstromanschluss für die Maschine verzichten will, um sie überall aufstellen zu können.
Also wir haben Drehfräsen im Betrieb und wenn dort gefräst wird, läuft die Spindel indexiert, d.h. sehr langsam (vielleicht so 10-50 U/min). Hier wäre also ein Getriebe die Wahl der Qual mit dem netten Nebeneffekt, dass bei langsamer Drehzahl ein größeres Drehmoment zur Verfügung steht.

Was die Werkstücke angeht - die Maschinen haben alle ihre speziellen Einsatzbereiche. Die kleinen Drehfräsen (z.B. Index G200 / G300) kommen hauptsächlich bei Großserien zum Einsatz, bei Kleinteilen wo es auf Präzision ankommt.
Die Multispindeldrehfräsen bearbeiten Werkstücke die einen runden Zapfen haben, der eine Umspannung ermöglicht.
Die 5-Achs-Fräsen bearbeiten alle komplexen Teile, die keine Rotationssymmetrie aufweisen.

Die Werkstücke der 5-Achs-Fräsen müssen anschließend auf einer 3-Achsfräse nachbearbeitet werden, um die Spannfläche zu entfernen/bearbeiten. Die Drehfräsen produzieren dagegen meist fertige Teile.
So wie ich das kenne muss die Steuerungssoftware nur die G-Codes umsetzen, das Koordinatengeschwafel kommt vom Cam und die Steuerungselektronik müsste in meinem Fall halt überdurchschnittlich potent sein.
Na, dann such Dir doch mal ein CAM, das eine Drehfräse unterstützt. Wenn Du eines findest, welches hobbybudgettauglich ist, dann würde ich mich über einen entsprechenden Hinweis freuen.

Ich habe die Programmierung von angetriebenen Werkzeugen gelernt und weiß, dass die Maschinensteuerung in einen anderen Modus geschaltet wird, um den GCode für angetriebene Werkzeuge ausführen zu können. Deshalb mein Hinweis, dass die Steuerung das unterstützen muss, was Du bauen willst.
ich hab wohl noch einige Grundsätze zu klären bevor ich damit ins CAD darf
Im professionellen Umfeld wird in solchen Fällen eine Machbarkeitsstudie aufgesetzt. Die kostet in der Regel hauptsächlich Manpower und klärt alle Unsicherheiten.

Gruß Reinhard

Terry
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Re: Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

Beitrag von Terry » 26.01.2021, 08:18

Moinmoin,

ja danke, dann hab ich erreicht, wofür ich Euch konsultiert hab: Du hast es mir ausgeredet.
Vor der Mechanik hab ich keine Angst, aber wenn die Steuerungen im Hobbybereich das nicht hergeben, stehe ich hinterher nur vor unlösbaren Problemen. Kosten spielen natürlich auch immer mit hinein und sauteure Speziallager... naja. Danke für den Input aus deinen Erfahrungen. Was die Robustheit angeht... wenn ich nen 8mm VHM Fräser nutzen kann ist mir das schon das Größte was ich brauche. Hauptsache es ist präzise mit guten OF.

Da wie bereits eine 4-Achs-Fräse bereits vorhanden ist und ich, wie bereits erwähnt, eine Herausforderung suche und keinen Nachbau einer Hobbymaschine, orientiere ich mich dann in Richtung 5-Achsen. Da ein schwenkbarer Kopf aufgrund der komplizierten Lagerung ausfällt, finde ich die http://metaxpo.com/datron-5-axis-milling-machine-c5/
datr.jpg
sehr interessant. Die hab ich schon länger im Blick weil die 4. Achse durch den Einbau in den Korpus extrem fest eingebaut ist. Würde sich mit Drehfutter auch als Drehmaschine nutzen lassen. Die horizontal gelagerte Frässpindel hat den Vorteil dass die Hebel, die sich für die vertikale Befestigung ergeben, entfallen. Bei nem 5-Achssystem entfällt ja die Ärgerei mit der vertikalen Werkstückaufspannung. Die Ansteuerung ist konventionell umsetzbar, einzig aufwändig ist es, den ATC zu integrieren.

Ich würde mich abermals über Kritik zu dem Ansatz freuen.

django013
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Re: Machbarkeit Dreh-Fräs"zentrum"

Beitrag von django013 » 26.01.2021, 16:26

Moin Terry,
Die hab ich schon länger im Blick weil die 4. Achse durch den Einbau in den Korpus extrem fest eingebaut ist. Würde sich mit Drehfutter auch als Drehmaschine nutzen lassen. Die horizontal gelagerte Frässpindel hat den Vorteil dass die Hebel, die sich für die vertikale Befestigung ergeben, entfallen
Also im Sinne von Herausforderung würde ich Dir empfehlen, Dir mal die unterschiedlichen Bauarten zusammen zu suchen und skizzenhaft das jeweilige Prinzip für den Hobbykeller anzupassen. Wenn Du Dir bei jeder Variante Gedanken darüber machst, welche Kräfte wie und wo enstehen und wie man ihnen begegnen kann, dann bist Du schon ein gutes Stück weiter.

Dann solltest Du Dir Gedanken über Dein Werkstück-Spektrum machen. Welche Bearbeitung kommt wie häufig vor? Was ist die Hauptbearbeitung Deiner Maschine?
Bist Du ein Dreher oder 2D-Fräser (ala Plattenware bei einem Holzwurm) oder bearbeitest Du vorwiegend komplexe Skulpturen.

Je nach Anwendungsschwerpunkt kristalisiert sich dann der Vorteil einer bestimmten Bauart heraus. Die anderen Bearbeitungen sind jeweils ein Kompromiss und nur Du kannst entscheiden, wann Du wo Kompromisse eingehst.
Bei nem 5-Achssystem entfällt ja die Ärgerei mit der vertikalen Werkstückaufspannung.
Das muss keine Ärgerei sein.
Letztes Jahr habe ich noch auf nem Bohrwerk von TOS gearbeitet. Das hatte einen fahrbaren Rotationstisch und zwei stationäre Spannflächen - alle 3 mit Spannwinkeln ausgestattet.
Die üblichen Werkstücke waren ca. 6m lang, 2-3m hoch und ca. 1m tief. Die Teile wurden alle vertikal gespannt und die Arbeit hat mir riesig Spaß gemacht - auch wenn alleine das Aufspannen mehrere Stunden gedauert hat. Probleme mit Hebeln kannten wir nicht :D

Dem Cheffe konnte es nicht schnell genug gehen und so hatte ich öfters Schiss. Besonders über 5m/min denn die Kabine fährt mit dem Werkzeug mit.

Wie auch immer - ich würde Dir empfehlen, erstmal Deine grauen Zellen zu strapazieren. Der Rest ergibt sich dann fast von alleine.

Gruß Reinhard

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