Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

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Fred Lithostein
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Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von Fred Lithostein » 06.04.2019, 20:57

Hallo zusammen!
Ich komme aus dem grafischen Gewerbe, bin Drucker, Buchbinder, Grafiker und Druckvorstufler.
Bei uns kommen in der Veredelung Prägewerkzeuge zum Einsatz.
Material ist Messing, Werkzeughöhe 7mm, Breite und Länge zwischen 100 und 400 mm.
Anbei Bilder zum besseren Verständnis.
Solche Präger möchte ich, wenn es mal wieder sehr eilt, selbst herstellen.
Ansonsten bestellen wir die Werkzeuge, dauert aber...

Ich habe in den letzten Wochen unzählige Videos gesehen, jede Menge gelesen,
aber zu diesem speziellen Thema gibt es kaum was informatives.
Mir kommt es dabei weniger auf Geschwindigkeit an, viel mehr auf Genauigkeit.
Reliefschnittpräger.jpg
Flachpräger.jpg
Blindpräger.jpg
Eventuell könnt Ihr mir ja zu einer kleinen Lösung raten
Grüsse Fred

django013
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von django013 » 07.04.2019, 06:22

Moin Fred,

mein Cheffe hat ne plastische Art, alles in Mark und Pfennig, äh Öre vorzurechnen.
Er hat mir mal erzählt, dass eine Stelle mehr Genauigkeit ungefär Faktor 10 in Geld ausmacht.

Wenn wir uns also mal eine Billigstfräse aus fernen Landen (z.B. ne 3040) anschauen, dann kann man damit ca. Din A4 bearbeiten und zwar mit einer reproduzierbaren Genauigkeit von einem Millimeter.
Das Teil kostet betriebsfertig rund einen Tausender.

Rechnen wir das jetzt weiter, dann bedeutet das, dass eine Fräse für Din A4 mit Genauigkeit 1/10 bereits um die 10.000 Teuronen kostet und wenn man 1/100tel erreichen will, weist das Preisschild bereits 100.000 Teuronen aus.

Wenn Du jetzt 400mm Verfahrweg auf jeder Achse haben willst, darfst Du die Preise mal eben verdoppeln.
Ja und wenn Du Lithografien mit der Fräse herstellen willst, dann bist Du noch über der teuersten erwähnten Klasse und erreichst Deine Genauigkeit nur in klimatisierten Räumen.

Wenn Du Dir die ganzen Selbstbauberichte anschaust, dann liegen die Selbstbauer seltenst unter dem Preis der fertigen Maschine, bzw. eines Bausatzes. Von den Fehlern, die sich beim ersten Bau einschleichen will ich garnicht anfangen zu reden.
So gesehen ist für mich die Daumenregel meines Cheffes recht plausibel.

Ach ja - dann gibt es noch die Regel, dass das, was man nicht messen kann, auch nicht hergestellt wurde.
Also müssen noch Messmittel aus der nächst höheren Klasse angeschafft werden - denn ein Messmittel muss Faktor 10 genauer sein, als das, was man messen möchte. Ist auch ein Kostenfaktor, der gerne unterschätzt wird.

Gruß Reinhard

Fred Lithostein
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von Fred Lithostein » 07.04.2019, 08:08

Hallo Reinhard,
Danke für die schnelle Antwort.

Räusper...das liest sich aber sehr ernüchternd.
1mm Ungenauigkeit auf 30cm, bzw. 1/10 mm bei roundabout 10 000 Euro.
Hab mir schon gedacht, dass es teuer wird.

1mm geht gar nicht, das sind im Druck Welten.
Beispiel aus der Praxis
Standbogen.jpg
Der Druckbogen ist 330 x 230mm groß, was in gold dargestellt wird ist die Prägerform,
d.h. alles in gold wird nach dem Offsetdruck in einer anderen Maschine mittels Prägewerkzeug, Heißfolie und Druck aufgebracht.
sprich der Präger muss auf allen Nutzen passen. Selbst 1/10 wäre da schon grenzwertig.
Man skaliert die Datei für die Präger sogar auf 99,7 %, damit sie später passen, da sie bei einer Arbeitstemperatur von ca 120 °C die Ausdehnung von 100 % wieder erreichen.

Genauen Passer mit mehreren Nutzen kann ich also vergessen, ausser wir investieren ähnliche Summen wie bei den Druckmaschinen,
sprich wenn es nicht so genau darauf ankommt (kein Passer zum Druck) und nur mit 1 Nutzen geprägt wird,
könnte es eine 4-stellige Lösung geben?

Was ich ganz vergessen habe, die Oberfläche des Prägers muss natürlich plan sein, sonst bekommt man kein homogenes Prägeergebnis
oder nur mit viel Zurichten.

viele Grüsse von der Weinstrasse
Fred

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carbonkid
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von carbonkid » 07.04.2019, 09:47

Hallo Fred!
Ich könnte mir vorstellen das mit einer Sorotec CompactLine deine Stempel möglich sind.
Zu der gibt es sicher auch Videos. Wenn du mal mit den Sorotec Leuten sprichst können die dich sicher beraten.
Gruß Daniel

DiY Fräse : CSMIO-IP-M / JMC-iHSS57 / simCNC-CS-Lab / intel NUC6i3
3D Drucker: Anycubic Delta Linear

Stud54
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von Stud54 » 07.04.2019, 12:39

Ich sage jetzt mal frech....bei deinen Anforderungen solltest du eher nach sowas Ausschau halten.

https://www.thomas-zietz.de/prod_fs3mg.html

Komplett mit Steuerung wirst du bei guten 10000 Euro landen. Dafür bekommst du eine geometrisch sehr genaue Maschine.

django013
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von django013 » 07.04.2019, 13:25

Moin Fred,
sprich wenn es nicht so genau darauf ankommt (kein Passer zum Druck) und nur mit 1 Nutzen geprägt wird,
könnte es eine 4-stellige Lösung geben?
Von 4stellig würde ich mich an Deiner Stelle schnell verabschieden. Damit wirst Du nicht glücklich.

Rechne einfach mal selbst mit: billige Drucker bieten bereits 1200dpi - ein inch sind 2,54cm, also entspricht das einer Genauigkeit von ca. 2 Hundertstel.
Schaust Du Dir etwas bessere Reproscanner an, dann arbeiten die bereits mit 6400dpi - was einem halben Hundertstel entspricht (genauer 4 Müh). Wenn Du da mitmischen willst, brauchst Du bereits Klimazonen.

Von den Sorotec-Fräsen würde ich deshalb die Finger lassen.

Der Tip von Sven geht eher in die richtige Richtung. Thomas Zietz hat schon etliche Fräsen gebaut (kleine und große) und kennt die Tücken des Geschäfts. Das beste wird sein, Du setzt Dich einfach mal mit ihm in Verbindung und erklärst Dein Vorhaben. Er wird Dir vermutlich erklären, dass die 10.000 nicht reichen werden.
Bis eine Maschine betriebsfertig ist, brauchst Du schon einiges an Zubehör.
Dann brauchst Du auch noch Werkzeuge zum Fräsen - wenn's präzise werden soll, werden die Werkzeuge auch schnell um einiges teurer ...
... und last not least brauchst Du auch noch Software. Bildbearbeitung wirst Du vermutlich besitzen, aber zum Fräsen brauchst Du ein CAM. Die gibt es auch von ... bis ...
Was ich ganz vergessen habe, die Oberfläche des Prägers muss natürlich plan sein, sonst bekommt man kein homogenes Prägeergebnis oder nur mit viel Zurichten.
Plan ist ein weites Feld. Wenn Du die Riefen des Fräsers mit dem Fingernagel fühlen kannst, kann die Oberfläche trotzdem eben sein. Wenn Du ne Oberfläche willst, auf der man keine Frässpuren mehr fühlen oder sehen kann, dann bist Du auch wieder in der chiceteuer-Region ;)

Gruß Reinhard

sswjs
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von sswjs » 07.04.2019, 16:04

Moin,

mich würde interessieren, ob die zu prägenden Bögen im Offset hergestellt wurden. Wenn ja, spielt 1/10 keine Geige, weil die Dehnung bzw. Schrumpfung wegen dem Wasser hochpräzise Passer eh versaut.

Wer schon einmal einen 4-farbigen Druck auf einer einfarbigen Offset versucht hat, kennt das Problem nur zu gut. Die zweite Farbe passt noch, die dritte schwimmt und die vierte wird einfach irgendwie gemittelt. Und ganz schlimm wird's, wenn der Stapel noch über Nacht gelegen hat.

Ich hätt die schon früher geantwortet, nur wusste ich nicht, was ihr prägt. Ich weis, das viele Prägestempel sogar wie Stempel hergstellt werden. Also mit Film und UV-aushärtenden Harz. Die sind dann tatsächlich schon im Millimeterbereich...

Für dich wichtig ist die Oberfläche und ja, mit einer Sorotec und alles was billiger ist, ist die nicht zu erreichen, es sei denn man ist gewillt, stundenlang zu polieren. Ich würde auch zu einer Mineralgußmaschine tendieren, die supersteif ist...

Mit Messing hab ich auf meinen Maschinen (Stepcraft und CNC-Step) nur schlechte Erfahrungen gemacht. Es geht zu fräsen, aber 2mm/s Vorschub und 0,1mm Zustellung. Da fräst du dann genauso lange, wie du auf deinem Lieferanten wartest. Nur das Ergebnis ist schlechter. :popcorn:

Ich fass noch mal zusammen: Genauigkeit 1/10 reicht vollkommen, da Papier sich mit der Luftfeuchte eh dehnt, aber sehr steif sollte die Maschine sein, wegen deinen Oberflächen.


sswjs, aka Jens
PS: auf vielen meiner Fotos findest du die Farbdosen von K+E, denn dort, wo die Druckmaschine stand, steht heute meine Fräse.
Maschinen: BZT PFE1000 mit 1,5kW Suhner, High-Z 1000 mit Kress FME-1050/1, Sorotec HL 4530 mit Kress FME-1050, Stepcraft 1/600 umgebaut mit Kress FME-1050

Fred Lithostein
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von Fred Lithostein » 08.04.2019, 19:08

Erstmal herzlichen Dank für die konstruktiven Hinweise und Vorschläge!

Also...zum Thema Passer und Offsetdruck; ja das Wachsen des Bogens im Offsetdruck ist immer ein Thema Kollege Jens.
Bei heiklen Jobs packen wir das Papier einen Tag vor Druck aus und danach steht es wiederum einen Tag bevor es veredelt wird.
Wir haben konstante Luftfeuchte und somit die Papierfasern gut im Griff. Wie Du auf dem Bild sehen kannst gehen wir bei solchen Jobs auch nicht auf Großformat, sondern belassen es bei 4 - 6 Nutzen.
Man sollte natürlich nicht das Papier direkt aus dem LKW in die Maschine nehmen und erwarten, dass man nachher einen Haarpasser hinbekommt.
Was ich sagen will; wir haben das Problem in über 30 Jahren ganz gut in den Griff bekommen.


Zum eigentlichen Thema; eine Maschine für 10 - 100k macht keinen Sinn, weil damit kein Geld erwirtschaftet wird.
Zur gelegentlichen Nutzung zu teuer. Ausserdem bin ich blutiger CNC Noob, besser ich tauche erstmal etwas tiefer in die Materie ein
und lege mir zum Lernen und Ausprobieren eine günstigere Fräse zu, eventuell was Gebrauchtes. Falls das Fräsen und ich Freunde werden oder gar ein Hobby daraus entsteht, kann ich immer noch aufrüsten. Ich gebe mich aber nicht länger der Illusion hin, ich könne selbst Präger in ähnlicher Qualität wie unsere Lieferanten herstellen. So ein neuer Präger sieht schon sehr geil aus. :D

Ich hab mich etwas in Artcam ausprobiert und bin einigermassen begeistert.
Könnt Ihr Software empfehlen die gut für Reliefsachen und Stempel geeignet ist?

viele Grüsse Fred

django013
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von django013 » 09.04.2019, 05:24

Moin Fred,
Was ich sagen will; wir haben das Problem in über 30 Jahren ganz gut in den Griff bekommen.
Yo, das bestätigt mich in der Annahme, dass Du mit "billigen" Maschinen nicht glücklich wirst.
Zum eigentlichen Thema; eine Maschine für 10 - 100k macht keinen Sinn, weil damit kein Geld erwirtschaftet wird.
Zur gelegentlichen Nutzung zu teuer. Ausserdem bin ich blutiger CNC Noob, besser ich tauche erstmal etwas tiefer in die Materie ein
und lege mir zum Lernen und Ausprobieren eine günstigere Fräse zu, eventuell was Gebrauchtes. Falls das Fräsen und ich Freunde werden oder gar ein Hobby daraus entsteht, kann ich immer noch aufrüsten.
Das hört sich nach einem guten Plan an.

Was auch helfen könnte: frag doch mal Deinen Lieferanten, ob Du nicht mal ne Betriebsbesichtigung machen kannst.
Ich würde den Hersteller der Blättervorlage (erster Beitrag) kontaktieren.
Für mich sieht die Vorlage nicht nach einer gefrästen Kontur, sondern nach einer komplexen 3D-Oberfläche aus (Blätter gewölbt und Stengel rund). Sowas in der Qualität ist mit Hobbyfräsen nicht zu schaffen.
Sowas wird normalerweise auf einer 5-Achs-Simultan-Maschine gefräst ...
Jedoch braucht man dazu auch ein 5-Achs-CAM ...
Ich hab mich etwas in Artcam ausprobiert und bin einigermassen begeistert.
Könnt Ihr Software empfehlen die gut für Reliefsachen und Stempel geeignet ist?
Artcam wurde Juli letzten Jahres eingestellt.
Ich würde nicht auf tote Pferde wetten ;)

Wenn Du Dir ne gebrauchte Fräse zulegst, dann fang doch mal mit CAMs für kleines Geld an. Estlcam, Cambam und dann Deskproto - alle drei gibt es für den Privatgebrauch recht günstig. Wenn man dann mehr will lassen sich die Lizenzen auch aufstocken.

Beim Relief kommt der schwierigste Teil vor dem CAM-Einsatz. Meist hat man ja nur ein 2D-Bild und will daraus ein Relief machen. Dazu gibt es unterschiedlichste Verfahren. Ein kostengünstiges ist z.B. die Verwendung von blender zur Relief-Erstellung. Dort kann man über die sogenannten UV-Maps ein Relief erstellen.
Die Herausforderung besteht doch darin, einem Grauton eine Höhe zuzuweisen.
Den Graukeil 1:1 in Höheninformationen zu wandeln führt eher zu grauenhaften Ergebnissen.

Wenn Du wirklich in des Thema Prägeform-Herstellung einsteigen willst, solltest Du Dir Zeit für die Einarbeitung nehmen. Nur dann wirst Du auch mit den Ergebnissen zufrieden werden.

Gruß Reinhard

KarlG
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Re: Wieviel Maschine reicht für meine Zwecke?

Beitrag von KarlG » 09.04.2019, 12:03

Moin,

ich habe den EIndruck, dass einige Betrachtungen doch deutlich über das formulierte Ziel hinausgehen.

Rahmenbedingungen:
- Messing vernünftig bearbeiten
- Maßtoleranzen einhalten

Schaut man sich mal die wesentlichen "Herausforderungen" an, ist das vor allem:
(1) Absolute Maß- und Wiederkehrgenauigkeit von unter 1/10mm incl. Ebenheit
(2) Flächiger Abtrag "relativ" großer Materialmengen (bezogen auf eine "einfache" Maschine) durch die notwendige "Erhabenheit" der Prägestempel

Daraus ergibt sich:
- Die Maschine muss ordentlich geradaus fahren (also wenige Hundertstel Toleranzen)
- muss steif genug sein, auch mit "dickeren" Fräsern ordentlich Buntmetalle zu bearbeiten

Messing ist von der Härte (je nach Legierung) etwas oberhalb von Alu, lässt sich aber recht gut zerspanen.

Man braucht also eine buntmetallgeeignete Maschine, die genau genug ist (unter Berücksichtigung der Prozessparameter - hier Raum- und Werkstücktemperatur), die Maßtoleranzen zu gewährleisten.

Damit fallen schonmal alle Billigmaschinen raus, denn (bezogen auf ein 300x400-Werkstück) sind allein 0,12m² bei 0,5mm Z-Zustellung (7mm Tiefe) = 1,68m² Fläche abzutragen. Wer sowas mit 3mm-Fräser schonmal versucht hat, wird das kein zweites mal versuchen, selbst wenn der da erfolgreich durchgehoppelt ist - mal abgesehen von den hingerichteten Schneiden/Fräsern.

Wirf mal einen Blick auf die Karla (heavy) - die leistet mMN. genau das, was Du suchst. Einschränkung: maximale Werkstückgröße 305x495mm und man muss Willens und in der Lage sein, auch selbst Hand anzulegen. Das schont aber das Budget.

Gruss
Karl

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