ER-CNC-Fräse

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stormer
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ER-CNC-Fräse

Beitrag von stormer » 21.04.2021, 19:31

Hallo zusammen,

seit geraumer Zeit bin ich einfach so hier im Forum unterwegs, da wirds langsam Zeit für eine kleine Vorstellung meinerseits - im Idealfall wird ein ganzer Baubericht draus.


===Eckdaten===

Projektname
  • ER (einfach, weil es schon zu viele Fräsen mit weiblichen Namen gibt)
Bauart
  • Fräse mit 3 orthogonalen Achsen, verfahrendes Portal
Antrieb
  • 34er Schrittmotoren (erstmal preisgünstig starten)
Bearbeitungsraum/Verfahrwege
  • X: 650mm
  • Y: 1350mm
  • Z: 200mm
(da passen die Rumpfformen eines 35ccm RC-Powerbootes rein)

Angepeilte Genauigkeit
  • X,Y,Z: +-0.1mm (gleich alle 3 Feenwünsche auf einmal rausgehauen)
Bearbeitungsmaterialien
  • Holz
  • Kunststoff
  • Nichteisenmetalle
Meilenstein 1
  • Die Fräse fräst
Weitere Meilensteine/Erweiterungen
  • Mindermengenschmierung
  • Fräserlängensensor
  • Frässpindel >2KW, Flüssigkeitskühlung
  • Absaugung/Druckluftbürsten
  • Vakuumaufspannung
  • Bauteileinmessung
  • Stabiler Unterbau
  • Bedienpanel/Fernbedienung
  • 4.Achse
  • 5.Achse
  • Laser auf zweiter Z-Achse
  • Scanner oder sonstnochwas Nützliches auf dritter Z-Achse

===MOTIVATION===
2015 wurde der Wunsch, eine CNC-Fräse zu besitzen, um beim Hobby RC-Modellbau nich alles von Hand schnitzen zu müssen, so konkret, dass ich (so alter Ing., dass ein Dipl. davor Platz hat) endlich mal das Selberbauen in Betracht zog. Es folgte eine ausgedehnte Marktrecherche bei der zwei Dinge klar wurden: Portalfräsen sind der günstigste Ansatz, aber gute kosten zuviel bzw. erschwingliche sind nisch dat Jelbe vom Äi.
Das Ideal einer selbstgebauten CNC-Portalfräse wurde also mal flott in excel überschlagen und war - Ernüchterung - mit mehr als 10000EUR immer noch zu teuer für ein pures Werkzeug. Auch mit einer technischen Dual-Use-Lösung mit Tischtennis-Funktion konnte ich mir das Ding nicht schönrechnen.
Ausserdem gabs bei diesem Projekt, wie bei all den bisher von mir beruflich konstruierten Maschinen, dieselbe Schwäche:
Ich mach immer nur Planung, Konstruktion, mech. Zusammenbau, Kalibrierung, Programmierung und Auswertung. Fertigung macht die Werkstatt und manchmal mach ich da einfach mit, aber alles, was auch nur entfernt mit Strom zu tun hat, machen immer irgendwelche anderen, die das mal irgendwo gelernt haben sollen. Diese offensichtliche Schwäche nagt natürlich am eingebildeten Anspruch eines Universalgenies, also gingen diese Vorabpläne erstmal wieder in die Schublade.
Dann kam 2020 mit Corona - auf einmal ist jeder Staatsdiener im Innenministerium (Home Office). Interessanterweise arbeiten nun auch alle wie die Beamten. Die Chat-Dichte schnellt gegen unendlich, die Effektivität gegen null. Während man früher im Jacket andere in Meetings, Brainstorms, FMEAs und Präsentationen mit harten Fakten von seinen Ideen zu überzeugen versuchte, sitzt man im Sommer 2020 mit WLAN im Garten mit kurzer Hose am Bein, Sonnenschirm überm Kopf, Maus in der rechten Hand, kühles Getränk in der linken, die Tastatur verwaist dazwischen (Indikativ-Präsens oder Partizip-Perfekt - wer weiss das schon).
Die meiste Zeit erhält und verschickt man links zu allen möglichen unterhaltsamen Dingen - vorzugsweise Videos, weil die schneller zu konsumieren sind als Webinare oder gar Paper. Das beginnt mit Musik, die man neben dem Arbeiten hören kann und endet bei Sachen, die ganz klar nicht zur Arbeit gehören. Und auf einmal merkt man an den Videovorschlägen: Da gibts noch jemanden, der sich hobbymässig für CNC ineressiert. Man ist ausserdem komplementär veranlagt bzw. fortgebildet. Die Entscheidung liegt auf der Hand:
Da der andere jeweils das kann, was man selber erst noch umständlich lernen müsste, kann man auch sofort zusammen loslegen.
Zuletzt geändert von stormer am 21.04.2021, 20:41, insgesamt 6-mal geändert.

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stormer
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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von stormer » 21.04.2021, 20:12

===BAUBERICHT TEIL 1===
Man einigt sich schnell über die oben genannten Punkte bis zum ersten Meilenstein und auf ein Budget. Ein vollständiges Lastenheft ist überflüssig - jeder weiss, was auf seinem Gebiet das Beste ist (Hahaha). Erste Bestellungen gehen als Schnellschuss raus (Stepper-Set auf ebay z.B.), weil dann jeder glaubt, dass der andere keinen Rückzieher mehr macht - auch ein Concorde-Dilemma kann der Absicherung dienen.
Beim Budget stellt man ohnehin fest, dass ein Gummiband ähnliche Eigenschaften aufweist, solange alle Beteiligten das gemeinsame Fieber (CNC, nicht Corona) gepackt hat. Man ist sich einig, dass die erste selbstgemachte CNC-Fräse in Qualität und Leistung noch weit vom viel zu teuren Ideal entfernt sein darf. Das kann man irgendwann mal bauen, jetzt muss was konkretes her. Und solange das Budget noch deutlich unter einer guten Kauflösung mit vergleichbaren Qualitäten (Benchmark!) liegt, geht auch bei keinem Beteiligten die rote Lampe an - es kostet jeden ja nur noch die Hälfte.
Man lernt aus Video-Serien, Blogs und Foren, wie andere das machen und man denkt sich seinen Teil dazu. Die eigene Fräse mutiert im Kopf zum Schweizer Taschenmesser. Viele Wünsche müssen aber erstmal als zukünftige Meilensteine geparkt werden, man muss ja auf dem Boden bleiben. Ausserdem hat jeder noch was rumliegen, das man zufälligerweise für eine CNC-Fräse brauchen kann oder weiss, wo sowas rumliegen könnte...Arbeitspause!
-> Ortstermin, fast wie zu Grundschulzeiten, als man Mittwoch morgens geschwänzt hatte, um Elektrogeräte vom Sperrmüll für den Heimweg in Gebüschen zu verstecken.
Die Konstruktion geht im Sommer los und steht nach 6 Wochen. Der Rest des Jahres ist Ausdetaillierung, Überprüfung, FEM, Bauteileorganisation etc.
Alles, was nicht abgegriffen werden kann, muss geplant und recherchiert werden. Getriebe und Führungen - soviel merkt man noch früh genug, nachdem man zunächst mit technisch unterlegenen Ansätzen (Fischkopf!) des Preises wegen gestartet war, gibts nach Profi-Ansatz mit Abstrichen in der Qualität viel günstiger aus China. Da kann man auch eine nummer Grösser nehmen, das kompensiert sich (Fischkopf?). Man befasst sich mit so störenden Elementen wie Steuer, Zoll und Incoterms, weil man keinen Kümmerer im Team hat, aber das schafft man auch noch.
Zwischendurch merkt man, dass man richtig Geld ausgeben wird und da sollte man doch was schriftlich festhalten
-> Ne GbR wird das, mindestens, presto Manifesto, unterschreiben, abheften, weiter gehts.
Wenn man sich ganz sicher ist (zu sein glaubt) dann ruft man "Designfreeze!" und übergibt einen Auftrag an den CNC-Fertiger des Vertrauens, denn: Um eine CNC-Fräse zu bauen, braucht man eine CNC-Fräse. Das weiss jeder, der darüber mal nachgedacht hat.
Hier unterbrechen wir erzähltechnisch geschickt und zeigen den Designstand zum ersten Meilenstein in Renderbildchen:
FRAESE_kpl_002_lines.jpg
  • Status Meilenstein 1, noch mit einer Ikea-Tischplatte als Unterbau.
X_Boden_kpl_lines.jpg
  • 50er Systemprofile bilden erstmal die Basis. Die Mitte des Arbeitsbereichs ist modular und erhöht.
X_Lineareinheiten_lines.jpg
  • Die X-Lineareinheiten basieren auf je einem 50x150 Systemprofil, 2x20er-Linearschienen und einer 20er Kugelumlaufspindel. Die Idee dahinter ist, dass man sie unabhängig vom Rest der Maschine zusammenbauen und kalibrieren kann, denn die Maschine muss nach dem ersten Aufbau im Frühjahr im Haus wieder zerlegt werden, um in Teilen zum eigentlichen Aufstellort Garage transportiert zu werden.
X_Schlitten_lines.jpg
  • Die X-Schlitten bilden gleichzeitig die Portalwangen und sind aus Aluplatten aufgebaut.
Y_kpl_lines.jpg
  • Das Portal komplett. Neben 2 50er Systenbalken besteht der Kern aus einer in einem 80er Alubalken gekapselten Traverse mit 25er Kugelumlufspindel, die aus einem alten Traversieraufbau übrig war.
Y_Antrieb_kpl_lines.jpg
  • Der angeflanschte Y-Antrieb ist im Gegensatz zu dem armdicken 6kg schweren Originalantrieb (nicht dargestellt) straight foreward.
Y_Schlitten_kpl_lines.jpg
  • Der Y-Schlitten(gleichzeitig Y/Z-Platte), wie die Wangen aus Aluplatten aufgebaut, ist breit genug, um neben der Z-Fräsachse noch 2 kleinere Z-Achsen aufzunehmen.
Z_Schlitten_kpl_lines.jpg
  • Der Z-Schlitten trägt seinen Antriebstepper samt Bremse. Neben der Startkonfiguration mit der bereits vorhandenen Makita 700 ein Ausblick auf die für später vorgesehene, flüssigkeitsgekühlte Frässpindel.
Die Teile aus China brauchen scheinbar ewig und man haut alle restlichen Bestellungen raus, um endlich was anfassen zu können und vertraut, dass der andere ebenfalls dranbleibt, denn vorbeischauen geht auf einmal dank Corona-Massnahmen nicht mehr.
Irgendwann liegen dann soviele Teile auf dem Tisch, dass es losgehen kann. Aber immer wenns am spannendsten ist, heisst es:
- Fortsetzung folgt - In Teil 2 wird es Bilder echter Bauteile zu sehen geben.

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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von reweCNC » 22.04.2021, 14:20

Vielleicht hab ich's auch überlesen, aber gibt es einen Grund, warum du die Maschine quer baust? Nach meinem laienhaften Verständnis sollte es doch einfacher und stabiler sein, wenn die Portalseite die kürzere ist. Dem Verfahrweg würde das ja keinen Abbruch tun. Und sicher würdest du dann auch mit einem mittigen X-Antrieb auskommen.

Gruß
Reiner

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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von stormer » 22.04.2021, 14:36

Hallo Reiner,

du hast recht, stabiler bzw. steifer bei gleicher Menge an Material ist immer, das Portal die längste Achse entlang fahren zu lassen.
Hier hat sich das so aus den schon vorhandenen Bauteilen heraus ergeben; das Design ist eben nicht ein ideales sondern preisgetrieben. Natürlich hätte man die vorhandenen Teile auch so zusammensetzen können, dass die lange, gekapselte Kugelumlaufspindel untendrunter einen zentralen Antrieb für das dann kürzere Portal darstellt, aber wir wollten einen Aufbau auf einer Platte, bei dem man von oben, ohne sich zu verrenken, an alles drankommt. Der Unterbau wird erst in einem späteren Meilenstein realisiert und beherbergt dann Vakuumpume, Flüssigkeitskühlung etc.
Zuletzt geändert von stormer am 22.04.2021, 14:44, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von reweCNC » 22.04.2021, 14:39

stormer hat geschrieben:
22.04.2021, 14:36
...
Hier hat sich das so aus den schon vorhandenen Bauteilen heraus ergeben; ..
Alles klar, das Argument verstehe ich. Kenne ich nur zu gut :lol:

Gruß
Reiner

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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von stormer » 21.05.2021, 15:16

===BAUBERICHT TEIL 2===
Heute gibt es einen Großteil der mechanischen Bauteile zu sehen. Für die Kombination aus Sytemalu und Aluplatten habe ich es irgendwie geschafft, eine vierstellige Anzahl an Befestigungselementen einzuplanen. Mit Ausnahme der Seitenelemente (150x50) aus Restmaterial wurde Systemalu in Form von 50er Balken nach Bosch mit 10er-Nut gewählt. Die Aluplatten aus beidseitig plangeschliffenem Gußmaterial in den Stärken 12, 15 und 20mm wurden von einem Mitglied dieses Forums in ausgesprochen hoher Präzision gefräst. Bei den aus China stammenden Spindeltrieben und Linearführungen haben wir zur Sicherheit ein paar Schlitten und Muttern zusätzlich geordert. Die Federn dienen der Verspannung jeweils zweier Muttern zur Reduktion des Umkehrspiels. Die Stepper gabs auf ebay im Set mit Treibern und Netzteilen. Für die Z-Achse ist eine Bremse vorgesehen. Der Tisch, auf dem das alles liegt, wird dann auch der provisorische Unterbau.
Sytemalu.jpg
  • Systemalu und Befestigungselemente
CNC_Platten.jpg
  • CNC-gefräste Aluplatten
Schienen_Spindeln.jpg
  • Linearführungen und Spindeltriebe
Antriebe.jpg
  • Stepper, Bremse und Zahnriementriebe von links nach rechts: Z, Y, X, X
Die elektrischen Teile liegen beim Kollegen, da wirds später Bilder geben. Hier erstmal ein Sneak-peek seines Controllers:
Controller_sneak_peak.jpg
  • Controller, früher Stand
Außerdem sind die meisten Teile für den Meilenstein Mindermengenschmierung auch schon eingetrudelt.
MMSchmierung.jpg
  • Teile der Mindermengenschmierung

Olli-CNC
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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von Olli-CNC » 08.07.2021, 20:22

Wann geht's denn endlich weiter? :dh


Gruß
Olli

Willhelm B.
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Re: ER-CNC-Fräse

Beitrag von Willhelm B. » 12.07.2021, 01:47

Echt? Zwei OL-Schrittmotoren fürs Portal? Kenn das nur mit einen OL-Motor per Riemen auf zwei Spindeln. Oder zwei CL-Motoren für jeder Seite einen.Eventuell würde ne Kopplung der beiden Motoren per Riemen etwas mehr Sicherheit bringen.
Zwei OL-Motoren an nem Gantry-Antrieb(so nenn ich das mal) ohne Riemen Kopplung kann da schnell mal das Portal in ungewünschte Geometrie versetzen.
Dann glaube ich(das muss aber nix heißen) das 3-4NM CL NEMA24 Sinnvoller sein werden als die OL NEMA34

Gruß
Willhelm

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