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Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 17.11.2019, 17:20
von vanquish
Hallo,

Wir haben bei unserer großen Fräse ein kleines Problem.

Die Geschwindigkeit und Rampen haben wir im Mach3 Motortuning aktuell eher auf der sicheren Seite eingestellt (ist ne neue Maschine und man muss es nicht gleich übertreiben). Normales manuelles Verfahren funktioniert so auch absolut problemlos. Auch CNC-Programme ohne Bögen funktionieren mit vollem Vorschub.
Nun habe ich versuchshalber ein Fräsprogramm (Positivform eines Flügels) abzeilen lassen. In der NC-Datei ist ein Vorschub von 1000mm/min programmiert und das funktioniert auch sauber auf der Maschine. Wenn ich nun aber in Mach3 den Vorschub erhöhe, bekomme ich ab etwa 250% Vibrationen und zwar immer dann, wenn ein Bogen/eine Rundung gefahren wird. Es scheint so, als ob die Maschine keinen gleichmäßigen Bogen fährt, sondern immer nur kurze Geraden, dann stoppt, dann die nächste Gerade, usw.

Ich hatte nun diesen ominösen CV-Modus in Verdacht und habe daran etwas herumgespielt. Ich konnte jedoch keine Verbesserung des Phänomens erreichen, eine Verschlechterung jedoch relativ leicht... Das NC-File funktioniert an einer anderen Fräse ebenfalls mit Mach3 problemlos. Also daran wirds wohl nicht liegen.

Ich bin mir eigentlich recht sicher, dass der Kern allen Übels irgendwo in den Einstellungen von Mach3 liegt, vielleicht eh beim CV-Modus...

Ein Handyvideo bringt leider nichts, da man diese Vibrationen darauf nicht sehen kann. Man hört es nur und fühlt es an der Maschine selbst. Habt ihr irgendwelche Tipps oder Ideen für mich, die ich vielleicht ausprobieren könnte? Unnötig langsam fräsen soll ja auch kein Dauerzustand sein...

Liebe Grüße,
Mario

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 19.11.2019, 19:11
von Toecutter
Hallo,
mir erschließt sich gerade nicht so recht warum du den Feed Override auf 250% erhörst und du nicht schon mehr Vorschub im CAM programmierst.
Bögen werden mit G2 bzw. G3 gefahren diese sollten auch im GCode als solche drin stehen, wenn nicht werden Bögen in unzählige kleine geraden Gefahren und dann vibriert es eben.
Erstell den Gcode noch einmal mit erhöhtem Vorschub schon vom CAM heraus und las den Feed Override bei 100%, das wäre jetzt für mich der erste Ansatz.
Kann auch sein das Mach3 mit dem PP nicht zurechtkommt oder schlichtweg deine Steuerung an seine grenzen kommt, bei Letzterem hättest du auch schritverlusste.
Ich hatte ähnliche Probleme mit Mach3 und bin deshalb auf UCCNC umgestigen seit dem lauft die Maschine superweich und absolut rund.
Gruß Rene

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 20.11.2019, 06:42
von Tilman
Vermutlich wird die Kurve dann auch in kleinen Segmenten abgefahren. Wie sind die Daten denn erstellt worden? Gerade beim Import von DXF kann so etwas oft passieren, dass die Kreiskurve nicht mehr als Kreiskurve interpretiert wird. Das solltest Du bei einer Testfahrt allerdings leicht daran erkennen können, dass eine Masse an G-Code-Zeilen durch das Fenster läuft, während die Kreiskurve abgefahren wird.

Wenn Du die Ausgangsbasis nicht verbessern kannst, kannst Du zumindest die Maschine so konfigurieren, dass sie mit solchen Segmentkurven besser umgeht. Ich hatte anfänglich auch oft solche Dateien und habe seitdem im Postprozessor G64 mit einer Genauigkeit von P 0.01 angegeben. Der Hundertstelmillimeter sorgt schon dafür, dass die unzähligen flachen Winkel einer Kurve deutlich gleichmäßiger durchfahren werden. Ein tatsächlichen Nachteil in der Präzision hast Du dadurch nicht, da die effektive Genauigkeit eh viel schlechter ist, als die theoretische von 0,01mm.

Viele Grüße
Tilman

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 20.11.2019, 08:10
von vanquish
Hallo,

Erstmal Danke für die Rückmeldungen.
@Toecutter: Ich habe zum Testen ein Fräsfile genommen, welches ich auf einer anderen Fräse mit Mach3 erfolgreich gefräst habe (eben auch wegen PP). Für diese Fräse sind die 1000mm/Min gut passend. Auf der neuen Fräse geht´s theoretisch deutlich schneller, was ich mit dem Feed Override erreichen wollte. Ich ging eigentlich nicht davon aus, dass hier das Problem begraben liegen könnte... Als Steuerung verwende ich einen Rechner mit entsprechende abgespeckter XP-Installation, ESS Smoothstepper und Leadshine CL. Daran wirds wohl hoffentlich nicht liegen.

@Tillmann: Ein File hatte ich mit einer alten Mastercam-Version erstellt, das zweite mit Estlcam. Die von dir angesprochene Genauigkeitseinstellung könnte durchaus ein Ansatz sein!

Ich werde eure Ideen jedenfalls durchprobieren!

Liebe Grüße,
Mario

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 27.11.2019, 07:46
von vanquish
Hallo,

Ich konnte nun ein paar Vorschläge von euch testen. Fazit: Beide hattet ihr recht! :dh
Ein NC-File mit geringerer Auflösung (im alten Mastercam waren standardmäßig 0.0025 eingestellt... :roll: ) von 0.01 brachte schon eine richtig deutliche Verbesserung. Das Ganze dann noch direkt mit dem passenden Vorschub (in dem Fall 5000mm/min) programmiert und schon läuft die Sache wie sie sollte.
Das die Auflösung einen solchen Einfluss auf die Performance hat, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber das sich der Feed Override auch auswirkt, hat mich doch überrascht.

Danke an euch!
Liebe Grüße,
Mario

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 29.11.2019, 02:07
von Tilman
Hallo Mario,

das ist doch kein Wunder. Auf einer Geraden kann der Stepper beschleunigen und mit vorbestimmter Geschwindigkeit durchlaufen. Wird ein Kreisbogen im CAM nicht als solcher erkannt, kann er nicht mit G2 oder G3 gefahren werden. Die Folge ist, dass die Kurve in unzählige winzige Geraden umgewandelt wird, die so klein sind, dass das Ergebnis später nach eine runden Form aussieht.

Deine Stepper haben in der Konfiguration eine Beschleunigung und Verzögerung hinterlegt. Wenn sie nun unzählige kurze Geraden mit hoher Präzision abfahren müssen, müssen sie an jedem Knotenpunkt ihre Geschwindigkeit ändern, um den Richtungswechsel herbeizuführen. Das kostet jedes Mal etwas Zeit und je höher die gewünschte Präzision ist, desto präziser müssen die Stepper den jeweiligen Knotenpunkt anfahren.

Ermöglichst Du ihnen dagegen eine gewisse Toleranz, können sie etwas Schummeln, indem sie den Weg im Bereich der Toleranz abkürzen. Das macht bei ein paar Hundert Knotenpunkten schon einiges aus und führt vor allem zu einem wesentlich gleichmäßigeren Vorschub. Da die Knotenpunkte exakt auf der eigentlichen Kreislinie liegen, hast Du lediglich den Nachteil, dass die gefräste Kurve durch die Abkürzungen einen minimal geringeren Radius hat. Da reden wir aber über Tausendstelmillimeter.

Viele Grüße
Tilman

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 29.11.2019, 05:47
von django013
Moin Tilman,

hier liegt ein wohl ein falsches Verständnis vor - ich habe noch keine Hobbysteuerung getroffen, die G2/G3 als echte Kreise fahren könnte. Schau nur mal in den Quälcode der üblichen Verdächtigen - und ich bin mir ziemlich sicher, dass machx & Co es nicht anders machen:
Wenn der Interpreter der Steuerung einen G2/G3-Befehl entdeckt, wird der Kreis in viele Geradenstücke zerhackt. Die Steuerung an sich kann nur Geraden fahren.
Die Unterschiede der Steuerungen findet man in dem Bahn-Optimierer, der berechnet, wie sehr an den Übergängen abgebremst werden muss. Gute Steuerungen machen den Bremsfaktor an dem Winkel zwischen den Geraden fest, andere arbeiten mit festen Werten ...
Da kann man dann schon Unterschiede feststellen.

Bei den meisten Steuerungen kann man konfigurieren, wie klein die Geradenstücke sein dürfen/sollen, in die ein Kreis zerhackt wird.

Trotzdem ist es besser, wenn ein CAM Kreise als G2/G3 erkennt und programmiert, denn dann kann die Steuerung das beste rausholen.

Gruß Reinhard

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 29.11.2019, 06:51
von Stud54
Tilman hat geschrieben:
29.11.2019, 02:07
Hallo Mario,

das ist doch kein Wunder. Auf einer Geraden kann der Stepper beschleunigen und mit vorbestimmter Geschwindigkeit durchlaufen. Wird ein Kreisbogen im CAM nicht als solcher erkannt, kann er nicht mit G2 oder G3 gefahren werden. Die Folge ist, dass die Kurve in unzählige winzige Geraden umgewandelt wird, die so klein sind, dass das Ergebnis später nach eine runden Form aussieht.

Deine Stepper haben in der Konfiguration eine Beschleunigung und Verzögerung hinterlegt. Wenn sie nun unzählige kurze Geraden mit hoher Präzision abfahren müssen, müssen sie an jedem Knotenpunkt ihre Geschwindigkeit ändern, um den Richtungswechsel herbeizuführen. Das kostet jedes Mal etwas Zeit und je höher die gewünschte Präzision ist, desto präziser müssen die Stepper den jeweiligen Knotenpunkt anfahren.

Ermöglichst Du ihnen dagegen eine gewisse Toleranz, können sie etwas Schummeln, indem sie den Weg im Bereich der Toleranz abkürzen. Das macht bei ein paar Hundert Knotenpunkten schon einiges aus und führt vor allem zu einem wesentlich gleichmäßigeren Vorschub. Da die Knotenpunkte exakt auf der eigentlichen Kreislinie liegen, hast Du lediglich den Nachteil, dass die gefräste Kurve durch die Abkürzungen einen minimal geringeren Radius hat. Da reden wir aber über Tausendstelmillimeter.

Viele Grüße
Tilman

Da muss ich Reinhard Recht geben. Zerhackt werden alle Kreise, selbst bei Siemens. Was der Unterschied ist, ist der Bahninterpolator, der bei G2/G3 einfach die Beschleunigungs- und Bremsrampen ignoriert oder besser, die Übergänge von Segment zu Segment überwacht und mit hinterlegten Werten fährt.

Richtig interessant wird das dann erst bei 5 interpolierten Achsen bei simultaner Bearbeitung und Splines. Da zeigt sich dann, wer den Interpolator geschrieben hat...😜

Gruß Sven

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 29.11.2019, 10:44
von django013
Was der Unterschied ist, ist der Bahninterpolator, der bei G2/G3 einfach die Beschleunigungs- und Bremsrampen ignoriert oder besser, die Übergänge von Segment zu Segment überwacht und mit hinterlegten Werten fährt.
Hm, es ist nicht nur der Bahninterpolator (jede Steuerung benennt den Baustein übrigens anders ;) ).
Ein anderes Unterscheidungskriterium zwischen einfachen und besseren Steuerungen ist die Schritterzeugung.
Die einfachen Steuerungen (Grbl und Co) nehmen den Bresenham-Algorithmus zur Signalerzeugung. Bessere Steuerungen (z.B. Teacup) berechnen den exakten Zeitpunkt für die Schrittsignale). Das ist aufwändiger funktioniert nichts desto trotz aber immer noch auf einem 8bitter von AVR ...
Die Auswirkung der Schrittsignale sieht man, wenn man z.B. flach ansteigende Oberflächen in Acryl fräst. Da sieht man dann Treppen, die bei den einfachen Steuerungen unterschiedliche Stufenbreiten haben. Bei den besseren Steuerungen sind die Stufenbreiten identisch.
Auch diese Unterschied können zu Vibrationen führen.

Gruß Reinhard

P.S. Ach ja - eine schweizer Uni hat sich der Thematik angenommen und einen Abzweig von linuxcnc erstellt. In dem neuen Zweig soll der Optimierer/Bahninterpolator wesentlich effizienter und besser arbeiten.
Um das beurteilen zu können müsste man aber wirklich mal extreme Oberflächen in Acryl fräsen.

Re: Mach3 - Woher kommen die Vibrationen?

Verfasst: 29.11.2019, 12:43
von Tilman
Was die Steuerung mit dem Code macht, kann ich mangels tieferen Wissens nicht sagen. Ich bezog mich daher lediglich auf den erstellten Maschinencode und hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es einen deutlichen Unterschied macht, ob ich einen Kreis nun mit G2 fahre oder ob er aus Hunderten von Koordinaten besteht, die mit G1 gefahren werden. Und genau auf den zweiten Fall wirkt sich die Toleranz stark aus.

Meine Arbeiten bestehen in der Regel nicht nur aus Geraden und Kreiskurven, sondern auch aus vielen organischen Formen, also Splines. Da meine Splines immer als G1-Koordinaten im Code landen, merke ich da einen sehr deutlichen Unterschied. Mit einer Toleranz von P0.001 hört man am Rattern der Stepper, wie sich sich von Koordinate zu Koordinate kämpfen. Erhöhe ich die Toleranz auf P0.01, laufen sie relativ smooth mit akzeptabler Geschwindigkeit durch. G2 läuft zwar immer noch deutlich schöner, doch zumindest meine Welt besteht nun mal nicht immer nur aus Geraden und Kreisbögen.

Viele Grüße
Tilman