Lagerung für Kugelumlaufspindeln

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KarlG
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Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von KarlG » 26.05.2016, 11:28

Moin,

weil es dazu immer mal wieder Nachfragen gibt...
..die Idee/Veröffentlichung stammt von Hermann Möderl hier, hier und hier.

Festlager:
DSC_0092.JPG
und montiert:
DSC_0094.JPG
Von links nach rechts: Spindel - 2 Lagerschalen mit 7201 2RS (jeweils die "dicken" Aussenringe bzw. der Bund der Lagerschale gegeneinander nach innen), 1 Distanzscheibe 0,5mm, 3 Tellerfedern a 40N und die Spindelmutter zum spannen des Paketes mit der glatten Seite zum Festlager
- |((([]

Wozu die Distanzscheibe? Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, falls das Federpaket mal überspannt wird, dass die Außenringe der Tellerfedern nicht in die Lagerdichtung "kippen". Ausserdem wird der Druck der Federn etwas besser auf den Lagerinnenring geleitet. Kann vermutlich ohne große Nachteile entfallen.

Warum 3 Tellerfedern in paralleler Anordnung? 1 Tellerfeder hat lt. Hersteller ca. 40N Vorspannung. 38N bei 0,5 Weg und 46N bei 0,75 Weg. Wir spannen fast auf Anschlag und haben dann wahrscheinlich um 50N. 3 parallel dann ~150N.
8mm Fräser (Zweizahn) mit moderater Zustellung in Alu erzeugt ca. 100N Zerspanungsdruck. D.h.: Unsere Vorspannung ist größer, als der Zerspanungsdruck und somit spielfrei.

Für eine "Käsefräse" zur Alu-Zerspanung ist das imho die ideale Dimensionierung. Wenn die Anforderungen höher werden, lässt sich das nicht beliebig steigern. Lt. Hersteller soll man nicht mehr als 2-3 Tellerfedern "stapeln" bzw. nur nach Rücksprache. Das gilt allerdings für dynamische Belastung und 4 oder 5 sind zur Lagervorspannung evtl. auch machbar.
Das wären dann ~250N Vorspannung. Wenn das auch nicht reicht, käme noch diese Tellerfeder mit 600N infrage. Davon müsste man dann 2 Stück gegeneinander spannen - so:()

Loslager:
DSC_0095.JPG
Hier wird das Spindelende einfach in einem Rillenkugellager 6201 zentriert.

Das gilt für D16-Spindeln, die an beiden Enden auf 12mm Schaftdurchmesser bearbeitet sind. Standardbearbeitung BK/BF ist üblicherweise 12 auf der Festlagerseite und 10 auf der Loslagerseite. Im Gegensatz zur BK/BF-Lagerung können wir keine "straffe" Passung Lager zur Spindel brauchen. Ich lasse deshalb 12mm auf 11,98 +0 / -0,01 abddrehen bzw. 12 -0,02 / -0,03. "Standard" bei TBI wäre D12 -0,003 / - 0,011 - also im Mittel 11,993. Das ist häufig zu knapp.

Gruss
Karl

charlyBrown
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von charlyBrown » 28.05.2016, 21:02

Hallo Karl,

diese Informationen sind ungemein wertvoll!! Herzlichen Dank für diese Details.

Könntest Du bitte diese Aussage noch mit ein paar Sätzen erläutern: " Im Gegensatz zur BK/BF-Lagerung können wir keine "straffe" Passung Lager zur Spindel brauchen."

Es geht um die Formulierung "können wir keine straffe Passung zur Spindel brauchen". Was genau meinst Du damit?

Viele Grüße

Karl-Heinz

KarlG
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von KarlG » 28.05.2016, 23:32

Moin Karl-Heinz,
charlyBrown hat geschrieben:Es geht um die Formulierung "können wir keine straffe Passung zur Spindel brauchen". Was genau meinst Du damit?
Die Frage ist nicht ganz eindeutig. Ich vermute, dass Dir schon klar ist, dass es Unterschiede gibt, ob die Spindel leicht in den Lagerinnenring "gleitet", oder ob sie "reingedroschen" werden muss..?! :D

Erstmal: Der Lagerinnenring hat Toleranzen und die Endenbearbeitung der Spindeln auch. Natürlich wünschen wir uns keinerlei Spiel in axialer und radialer Richtung. Dabei ist in meinen Augen für ein Festlager eher das Axialspiel kritisch.

Wenn Du Dir mal so ein BK12 im Schnitt anschaust: Beide Lager liegen direkt aufeinander und das Axialspiel wird dadurch definiert, wie die Innen- und Aussenringe zueinander passgenau geschliffen sind. Das ist im Idealfall so, dass der Abstand der beiden Innenringe beim Zusammenbau das Axialspiel auf 0 reduzieren, wenn sie zusammengedrückt werden (Spindelmutter anziehen). In der Praxis ist sowas nur mit hochpräzisen (und sehr teuren) gepaarten Lagern zu machen. Die 08/15-Ware hat idr. ein Axialspiel (mindestens) im Hunderstel Bereich. Für Qualität muss man schon tief in die Tasche greifen.

Diese Anordnung setzt auch voraus, dass die Lagerinnenringe sehr genau zueinander zentriert sind, da sich sonst das Spiel während einer Umdrehung ändern würde. Man wählt also eine eher "straffe" Passung, also die Spindel sitzt fest im Lagerinnenring und muss evtl. sogar aufgepresst bzw. mit Hitze/Kälte "aufgeschrumpft" werden. Da die Lager eh aufeinandersitzen, kann auch die Spindelmutter fest angezogen werden, ohne das Lager zu überlasten.

Im oben beschriebenen Fall ist die Funktionsweise anders: Die Lager sitzen auf Abstand und die Spielfreiheit wird über Federvorspannung eingestellt. Hier ist die Lagerpaarung unkritisch, weil die Federvorspannung bis zur maximalen Federspannkraft (hier ca. 150N) die Spiefreiheit herstellt - selbst, wenn nicht alles perfekt zentrisch läuft. Das setzt aber eine axiale Leichtgängigkeit voraus, weil das Sytem immer ein wenig arbeitet und man darf die Spindelmutter nicht stark anziehen, weil das sonst die Lager ruinieren würde. Wenn man hier eine "straffe" Passung nehmen würde, könnte man sie nicht mehr ordentlich vorspannen und bekommt sie evtl. gar nicht mehr richtig montiert (nachträgliche Setzung).

Fürs Loslager: Beim BF12 ist das Lager im Lagerbock verschiebbar - Passung Lagerinnenring/Spindel auch hier straff und das Lager wird idr. auch mit einem Seegering auf der Spindel gesichert.
Bei den o.g. Lagerschalen ist das Lager fest in der Schale und die Spindel muss im Lagerinnenring gleiten können um thermische Längenänderungen aufzunehmen, Wäre hier auch eine "straffe" passung, würde das ruckartig passieren...

Gruss
Karl

charlyBrown
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von charlyBrown » 29.05.2016, 12:42

Hallo Karl,

ich kann zwar den Unterschied nachvollziehen, ob man ein Lager auf eine Spindel pressen muss oder schieben kann, aber ich habe so ein Lager noch nie in der Hand gehabt. Daher auch meine Fragen, obwohl ich durchaus Google bemühe, bevor ich frage. Z. B. sehe ich zwar die Unterschiede zwischen BK/BF und EK/EF oder FK/FF. Ich folgere anhand der Form, dass es wohl vor allem Unterschiede hinsichtlich der Geometrie sind, aber mangels Wissen, steht so eine Hypothese nicht auf sicheren Beinen. Daher schätze ich es ja auch so sehr, dass Du immer die Hintergründe erläuterst, wenn Du die Zusammenhänge erläuterst!

Im vorliegenden Fall hatte ich z. B. ein enormes AHA-Erlebnis. Vielen Dank für Deine Erklärung!!!!

Viele Grüße

Karl-Heinz

KarlG
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von KarlG » 29.05.2016, 12:45

charlyBrown hat geschrieben:Z. B. sehe ich zwar die Unterschiede zwischen BK/BF und EK/EF oder FK/FF. Ich folgere anhand der Form, dass es wohl vor allem Unterschiede hinsichtlich der Geometrie sind,
Korrekt - da sind nur die Gehäuse unterschiedlich, aber Innereien/Funktionsprinzip ist identisch....

friezilla

Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von friezilla » 26.12.2016, 23:27

Hallo Karl,

ich bin schon lange stiller Mitleser deiner diversen Beiträge und schätze dein Know-How das du mit uns teilst. Jetzt muss ich doch mal selbst eine Frage stellen.
Ich baue gerade eine Fräse die diese Lagerung verwendet und bin mir nicht sicher ob die Tellerfeder in der Montageweise gegen die Mutter richtig arbeiten kann.
Die Feder hat einen Außendurchmesser von 21,8 mm und auf dem Rand müsste sie eigentlich aufliegen um federn zu können. Die flache M12 Mutter hat eine gerade Auflagefläche von ca 18 mm, dann fängt der angefaste Teil an. Für mich liegt die Mutter damit (zumindest teilweise) in dem "Konus" der Feder und der verfügbare Federweg reduziert sich entsprechend. Ich würde deshalb aus dem Gefühl raus gerne noch eine große Unterlagscheibe (auf der die Tellerfeder voll aufliegen kann) zwischen die Mutter packenn nur macht das keiner so ... Reicht der reduzierte Federweg bzw. ändet sich dadurch nicht die mögliche Vorspannung ?

Gruß
Andreas

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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von KarlG » 27.12.2016, 00:04

Moin,
friezilla hat geschrieben:Ich würde deshalb aus dem Gefühl raus gerne noch eine große Unterlagscheibe (auf der die Tellerfeder voll aufliegen kann) zwischen die Mutter packenn nur macht das keiner so ... Reicht der reduzierte Federweg bzw. ändet sich dadurch nicht die mögliche Vorspannung ?
die Antwort ist ganz simpel: Wir wollen eigentlich gar keinen Federweg! In dieser Konstellation müssen wir ja nur etwaige Parallelitätsfehler der Lager und leichterer "holperer" der Kugeln im Mikrometerbereich ausgeglichen werden. Im Grunde werden die Tellerfedern einfach bis zur max-Kraft plattgedrückt und die Federn sind nur dazu da, weil man ohne sie die Vorspannkraft auf die Lager nicht dosieren könnte und diese auch bei jeder Umdrehung wechseln würde/könnte. So hat man die Gewähr, dass die Lagerung auch auf Zug bis zur Federkraft spielfrei bleibt und darüber hinaus auf den (kleinen) Federweg beschränkt ist.

Gruss
Karl

lakeroe
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von lakeroe » 28.12.2016, 10:59

Eine kurze Frage zur Einstellung der Vorspannung der Tellerfedern:
Bei einer gewünschten Vorspannung von 150N ergibt dass an der M12x1 Mutter ein Drehmoment von

Spindelsteigung*150N/(2*Pi*Spindelwirkungsgrad) = 0.001*150/(2*Pi*0.6) = 0.04Nm

Das sind nur ca. 60 Gramm Druck auf einem 15cm langen Schraubenschlüssel !!!

Kann das ungefähr stimmen oder habe ich mich verrechnet ?

Gruß,
lakeroe

Lars
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von Lars » 28.12.2016, 11:22

0,04Nm wären 0,26N am 0,15m Hebel, also nur 26g (statt 60g).

Auf jeden Fall reicht es, mit dem kleinen Finger anzuziehen, so zeigt es auch Hermann Möderl in einem seiner Videos.

lakeroe
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Re: Lagerung für Kugelumlaufspindeln

Beitrag von lakeroe » 28.12.2016, 11:33

Hm, stehe ich gerade auf der Leitung ...
0.04Nm sind doch 0.04N (400g) am 1m Hebel, 0.02N (200g) am 50cm Hebel oder 0.006N (60g) am 15cm Hebel ?

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