"Kleine Spindelkunde" ist natuerlich massive Hochstapelei - kratzt ja grade mal ein bisserl an der Oberflaeche.
Da aber einige Fragen (in Varianten) immer wieder kommen, kritzel ich hier mal was zusammen und mit Diskussionen/Fragen/Ergaenzungen dazu koennte das schon ein grober Ueberblick ueber das Thema "Kugelumlaufspindeln" werden. Ist ja nicht so einfach, mal eben "aus dem Stand" das Wesentliche verstaendlich zusammenzufassen - kann also alles moegliche eingearbeitet werden.
Neben den "nackten" technische Daten gibt es noch ein paar zusaetzliche Parameter, die sich nicht (oder schlecht) in Zahlen ausdruecken lassen und einfach mal erwaehnt werden sollten.
Technische Daten:
- Spindel(aussen)durchmesser (bei uns 16mm)
- Kerndurchmesser (bei uns ca. 14mm) - das ist der Durchmesser der Spindel auf dem Gewindegrund und bestimmt wesentlich Durchbiegung, max. zulaessige Laenge und Grenzdrehzahl
- Spindelsteigung (Strecke pro Umdrehung - ueblich sind Werte zw. ~2 und 20mm; wir benutzen 5mm)
- Belastbarkeit. Wesentliche Werte sind Ca und Coa. Vereinfacht: Ca ist die maximale Dauerlast, Coa die Spitzenlast, ab der plastische Deformationen entstehen, also irgendwas kaputt geht
Fuer die TBI gilt: Ca knapp 1 t; Coa 2,4t; die chinesichen SFU1605-4 aehnlich; die einfachen chinesischen SFU1605-3 mit Kunststoffumlenkungen 765/1320 kg
Herstellungsverfahren:
Da gibt es einige verschiedene (rollen, schaelen, wirbeln, schleifen...); fuer uns relevant sind eigentlich nur gerollte (gewalzte) und wenn die Portokasse gut gefuellt ist, evtl. auch geschliffene
Geschliffene sind idr. deutlich teuerer, haben aber auch bessere Oberflaechen und hoehere Genauigkeiten
Genauigkeiten:
Wesentliche Parameter sind Steigungsfehler (also wie gross ist die Abweichung vom Soll bei Weg X) und das Umkehrspiel (wieviel totweg hat hat die Mutter bei Richtungsaenderung)
Steigungsfehler
C7 +/- 0,052/300 mm
C5 +/- 0,023/300 mm
C3 +/- 0,012/300 mm
Gerollte idr. als C7 und C5; geschliffene als C5 und besser.
Unsere C7-Spindeln haben also im Extrem auf der langen Achse (600mm) 0,12mm Steigungsgfehler, wovon sich (Verfahrweg) 0,1mm auswirkt. Eine C5 dann knapp die Haelfte.
Dabei darf man natuerlich nicht den thermischen (Ausdehnungs-) Fehler vergessen.
Ausgehend von 20 Grad C Raumtemperatur wird die Spindel auf 600mm bei 10K (10-30 Grad C) Unterschied 0,072mm laenger oder kuerzer. Das Alu-Chassis bei gleichen Bedingungen sogar 0,14mm. Werkstuecke (je nach Material) ebenso.
Eine Investition in bessere Spindeln lohnt also bei stark schwankenden Betriebstemperaturen (bspw. Gartenhaus)
nicht.
Umkehrspiel
"Alles was sich bewegt, hat auch Spiel - sonst wuerde es sich nicht bewegen".
Das war frueher - heute gibt es sogar negatives Spiel
Das nennt sich dann Vorspannung.
Doch der Reihe nach: Unsere Spindel hat ein Aussengewinde. Die Mutter ein Innengewinde (bzw. mehrere einzelne Gewindegaenge). Dazwischen laufen Kugeln. Je nachdem, wie eng die Kugeln in den Gewindegaengen "eingeklemmt" sind, umso weniger Axialspiel hat die Mutter. Das darf natuerlich nicht so weit getrieben werden, dass das System anfaengt zu klemmen. Idr. ist man mit dem Spiel etwas grosszuegiger, um in der Serie zu garantieren, dass eine beliebige Mutter auf eine beliebige Spindel passt.
So macht es bspw. Hiwin mit ihrer Standardserie und garantiert dann auch "nur" ein Axialspiel <=0,04mm.
Fuer unsere Verhaeltnisse ist das schon eine Menge und wenn es genauer sein soll, muss die Mutter auf die
Spindel angepasst werden. Das passiert bei den SFU ueber den Kugeldurchmesser.
Bei TBI gibt es "Vorspannklassen":
P0 - Leichtlauf, Spiel
P1 - Leichtlauf, Spielfrei (ca. 2u ohne Last)
P2 - leichte Vorspannung (ca. -2u)
P3 - mittlere Vorspannung (nur fuer geschliffene Spindeln)
P4 - starke Vorspannung (die gibt es bei den SFU nicht)
An den Werten kann man sehen, dass die Fertigung fuer Spindeln/Mutterngehaeuse schon im Mikrometerbereich genau sein muss; ebenso die Toleranzen der Kugeldurchmesser und deren "Rundheit".
Die Latte haengt also ganz schoen hoch, sowas in Serie zu garantieren. Eine Vorspannung bedeutet, dass der Kugeldurchmesser groesser ist, als der Platz, der dafuer vorhanden ist. Das System laeuft also permanent in der elastischen Verformung (ueberwiegend der Kugeln), was schon recht grosse Ansprueche an die Fertigungstoleranzen stellt.
Damit kommen wir zu den chinesischen Spindeln. Die sind idr. TBI-Kopien; allerdings ohne (bzw. mit abgeschriebenen) Spezifikationen.
Die Belastungswerte lassen sich noch annaehernd herleiten; wenn es dann an Laufkultur und Spiel geht, dann regiert der Zufall. Die Spindeldurchmsser schwanken herstellungsbedingt um ca. 0,15mm. Demzufolge muessen sowohl Mutterngehaeuse als auch Kugeln an die Spindel angepasst werden und je nachdem, wie gut da gemessen/gearbeitet wird, wird's auch mal schlechter und mal besser, aber selten wirklich gut.
Die Chinesen schaffen meist einen recht brauchbaren Durchschnitt, der einen grossen Vorteil hat: Das Zeug ist nicht teuer. Wenns dann praeziser (Spielfrei bzw. gar vorgespannt) sein soll, ist es aber vorbei, weil meist schon die Toleranzen der Materialien das nicht hergeben (schwankende Spindeldurchmesser, Oberflaechengueten, Qualitaet, Rundheit und Sortierklassen der Kugeln usw.)
Gruss
Karl