Original Author in der FPVC: KarlG » 14.11.2014 um 11:29 Uhr#2
(1) Die Toleranzen der eingesetzten Materialien
Erstmal: Es ist alles krumm. Klingt nicht schoen, ist aber so. Es gibt keine geraden Teile - nur welche mit geringen Toleranzen; je geringer, je teuerer.
Die Alu-Profile:
Im Bereich Alu-Profile halten sich die meisten Hersteller an die
Nomenklatur von Item oder Bosch/Rexroth. Konkret heisst das fuer uns:
Toleranz Aussenmass / Nutlage: 0,4mm
Verwindung: 1mm
Geradheitstoleranz quer: 60er 0,3mm; 120er 0,5mm
Geradheitstoleranz laengs: 0,7mm ( nicht ueber 0,3 pro 300mm)
Winkeltoleranz: 0,6mm
In der Regel sind die gelieferten Profile deutliich besser. Es ist aber aeusserst selten, dass ein Profil auf der Mess-/Richtplatte nicht kippelt. Um am Ende eine gerade Fraese zu bekommen, werden die Toleranzen gemittelt und versucht, sie dahin zu "druecken", wo sie am wenigsten stoeren. Eine "Kehle" an die oberseite Laengstraeger (da kann man im Extremfall dann mal ein Plaettchen drunterlegen); eine Beule an die Aussenseite Laengstraeger (wird ohnehin ueberfraest). Wichtig ist, dass vorne und hinten beide Profile plan mit den Stirnplatten zusammenstossen, damit die Flucht fuer Linearschienen und Antriebsspindel stimmt.
Deshalb werden alle Profile im Vorfeld gemessen, paarig zugeordnet, bezeichnet (VL, VR) und gemeinsam stirnseitig ueberfraest. Diese Zurodnung ist also wichtig und darf nicht geaendert werden. Die Bezeichnung kann man spaeter mit Spritus oder Aceton abwischen.
Die Alu-Platten:
Da finde ich grade die Specs nicht, also aus dem Kopf: Geradheitstoleranz (Ebenheit) unter 1mm/1000mm und nicht ueber 0,3mm pro 300mm. Das ist fuer uns auch zu ungenau, weshalb ich fast jede Platte richten muss. Ergebnis idr. unter 0,1 / 300mm. Die Berabeitung (Lage Bohrungen, Aussenmasse, Ebenheit) dann ebenfalls unter 0,1mm - eher besser 0,05.
Die Linearschienen
sind im Lieferzustand ebenfalls mindestens im Zehntelbereich krumm und werden erst durch die Montage am Profil und nachfolgendem Einmessen/Justieren gerade. Befestigung erfolgt mit M6-Schrauben in 7mm-Bohrungen. D.h. nach dem Anschrauben sind die erstmal kein bisschen gerader als vorher...
Aus dem eben geschriebenen folgt: Es gibt an den Teilen keinerlei Flaechen, gegen die man einmessen koennte - die sind alle viel zu uneben. Um am Ende Genauigkeiten im Hundertstel Bereich (um 2-5/100) zu erreichen, braucht man hochpraezise Referenzflaechen - die gibt es in einem normalen Haushalt ueblicherweise nicht.
(2) Was muss nun ueberhaupt eingemessen werden?
1. Die Linearschienen der Laengstraeger auf Ebenheit und Parallelitaet
2. Die Linearschiene der X-Achse unten gegen die ueberfraeste Oberkante (zusaetzliche Fuehrung) und dann gegen die Ebene der Y-Achse (also die "Linie" zw. den beiden Y-Fuehrungen).
3. Das Portal auf Winkligkeit gegenueber der Y-Geraden
4. Die Z-Achs-Schiene auf Geradheit.
5. Die Z-Achse senkrecht zur Y-Achse (Kippstellung Portal)
6. Die Z-Achse senkrecht zur X-Achse (die Schraegstellung von vorne betrachtet)
7. Die Fraesspindel ebenfalls in diesen beiden Achsen
(3) Wie geht man idealerweise vor?
1. Montage des Grundrahmens "ueber Kopf" auf einer praezisen Unterlage. Ich benutze eine Hartgestein-Richtplatte mit Ebenheit besser 2.8um.
2. Montage der Linearfuehrungen und "grobe" Grundausrichtung per Distanzstueck. Montage Fuehrungswagen, hunderstel Uhr drauf und einmessen gegen die Unterlage <=0,02mm.
3. Portalbalken "ueber Kopf" auf die Messplatte, Linearschiene montieren und ebenfalls gegen die Planebene einmessen. Die obere Fuehrung (so vorhanden) wird dann gegen die untere eingestellt. Das ist idr. problemlos, weil die Ebenheit schon stimmt und nur die Lage relativ zur Profilnut eingestellt werden muss.
4. Dann wird das Portal montiert, und der Fuehrungswagen der X-Achse in der Hoehe gegen ein quer gelegtes Lineal eingemessen. Hier muss man aufpassen, dass man keinen "Berg" oder ein "Tal" der Laengstraeger erwischt. Ideal also vorne an der Stinrplatte, wenn man absolut sicher ist, dass der Grundrahmen nicht in sich verdreht ist. Ansonsten lieber spaeter, wenn die Aufspannplatte drauf ist. Ich packe dafuer eine kleine Hartgestein-Messplatte aufs Chassis, messe die Oberflaeche gegen die Laengsfuehrungen ein (Ecke unterlegen) und justiere danach.
5. Jetzt wird es richtig kompliziert, weil wir rechte Winkel einstellen muessen (Z-Achse senkrecht ausrichten), aber keine Ebene haben, auf der der Winkel wirklich grade aufliegt. Loesung: entweder wieder per praeziser Platte auf dem Chassis, oder aber schrittweise rantasten - also alles montieren, Aufspannplatte ueberfraesen, dann mit rechtem Winkel gegen ueberfraeste Aufspannplatte messen und das evtl. 2-3mal wiederholen. Senkrechtellung Z-Achse (bzw. Fraesspindel) kann man recht gut am Fraesbild erkennen.
6. Wenn 5 Erfolgreich, muss noch das Portal winklig zur Y-Achse eingestellt werden (wahlweise auch vor 5 - man braucht hierzu aber schon eine montierte Z-Achse). Dazu einen rechten Winkel flach hinlegen, Laengsseite gegen Y-Achse ausrichten (mit der Messuhr langfahren) und dann die Querachse dazu einmessen. Hier kann man nichts einstellen - wenn es nicht stimmt, muss man zw. Portalbalken und Portalwangen mit Alufolie unterlegen. Ich benutze einen Hartgestein-Winkel 400x250mm DIN00 mit Genauigkeit besser 3.5um. Fuer kleine Sachen einen Metall-Anschlagwinkel Genauigkeit 00.
Wenn man bis hier die verwendeten Messmittel (ich habe sie nicht
alle aufgefuehrt) mal zusammenrechnet, landet man schon bei einem Invest deutlich >1000 ; das duerfte fuer die Meisten voellig indiskutabel sein. Ausleihen kann man sowas auch eher selten (ausser man kennt Jemanden sehr gut).
Deahalb jetzt noch eine Zusammenstellung, was man aus meiner Sicht mindestens braucht, um die Mechanik einigermassen genau einzustellen:
(4) Mindestens benoetigte Messmittel
1. Einen graden Tisch - den wird man dafuer nicht extra anschaffen
. Hilfreich eine genaue Wasserwaage und wenn der Tisch etwas uneben ist, lieber mit "Tal" in der Mitte, als mit "Berg".
2. Ein Flachlineal 750mm (min. DIN 874/1) - das ist schon 1,7/100 uneben:
http://www.praezisionstools.de/mwgpt...031000750.html
3. Einen Anschlagwinkel 200x130mm Grad 1 oder besser:
http://www.praezisionstools.de/mwgpt..._R7611105.html
4. Eine hundertstel Messuhr mit 3 oder 5mm Messbereich:
http://www.mw-import.de/shop/kaufen/...DIN-878-B.html
5. Ein Magnetstativ:
http://www.mw-import.de/shop/kaufen/...echanisch.html
Das ist das absolute Minimum und wenn man die Toleranzen mal summiert, wird das Ergebnis kaum besser, als 5/100mm. Die Genauigkeit kann man auch mit ungenaueren Messmitteln verbessern, indem Differenzmessungen gemacht werden (Umschlag, Lineal umdrehen, durchschieben) - das erfordert aber ein extrem penibles Vorgehen.