Arbeiten an großen Werkstücken
Verfasst: 16.03.2019, 07:32
Moin moin,
heute beschreibe ich mal, wie das Aufspannen eines Teiles auf dem Bohrwerk abgeht. Sieht man mal von dem Mikro-BAZ ab, welches fast ausschließlich für die Vermittlung von Leerinhalten verwendet wird, ist das Bohrwerk, auf dem ich eingelernt werde, die kleinste Maschine im Betrieb.
Der blaue Turm auf dem letzten Bild ist eine vertikale Spannfläche. Von diesen Türmen gibt es vier nebeneinander. Abstand der Türme so, dass ich (Obelix) mit Müh und Not gerade so reinpasse ...
Tischbreite ist ca. 1m, die Höhe der Türme ca. 4m - Höhe des Tisches ist auf Fußboden-Niveau.
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Werkstücke verzogen/gebogen sind. Deshalb werden sie im ersten Schritt mit dem Hintern zur senkrechten Spannfläche für alle Achsen ausgerichtet (Toleranz 5 Zehntel). Dafür finden sich im Guß Bezugspunkte (2 für jede Achse).
Danach wird das Teil mit Spannpratzen an der senkrechten Spannfläche und am Boden fixiert.
Jetzt werden 4 vertikale Flächen (die außerhalb der eigentlichen 3D-Fläche liegen) auf definierte Z-Werte gefräst. Angestrebt wird eine Flächengröße von 150mm Durchmesser. Genommen wird, was da ist. Jede Fläche erhält einen exakten Millimeter-Wert (also 0 nach dem Komma). Toleranz diesmal: 1/100tel
An der Unterseite werden 2 Flächen auf den gleichen (Y-)Wert gefräst.
Anschließend wird das Teil abgespannt und umgedreht - jetzt also Gesicht zur senkrechten Spannfläche.
Die waagerechten Fräsflächen werden auf Endmaße abgestellt. Das Teil hängt immer noch am Kran und ist ca. einen halben Meter von der senkrechten Spannfläche entfernt.
Nun werden Aluzylinder mit T-Nut-Schrauben an den senkrechten Spannflächen befestigt, sodass sie in Verlängerung der gefrästen Flächen stehen. Sind die vier Aluzylinder positioniert, wird das Teil wieder von der Maschine entfernt.
Die Aluzylinder werden jetzt fest mit der senkrechten Spannfläche verschraubt (Anzugsmoment = Schraubenschlüssel mit Verlängerung mal Körpergewicht ) und danach auf das zugehörige Maß der Fräsflächen abgefräst. Auch hier wieder Toleranz 1/100tel.
Nach dem Vermessen der Aluzylinder wird das Teil wieder auf die Maschine gefahren und diesmal an die Aluzylinder angelegt und auf die Endmaße aufgelegt.
Das Teil muss mit Spannpratzen wieder senkrecht und waagerecht fixiert werden. Diesmal mit mehr Spannpratzen, da stärkere Kräfte aufs Teil einwirken werden.
Anschließend erfolgt nochmal ein Vermessen zur Kontrolle - Toleranz: 1/100tel
Als kleiner Größenvergleich: die Aluzylinder und die Spannpratzen werden mit Gewindestangen M24 verschraubt. Die Spannpratzen werden mit Schraubblöcken fixiert. Mit den Schraubböcken wird auch das Werkstück an geeigneten Stellen zusätzlich fixiert, um Resonanzen zu verringern ...
Die Schraubböcke gibt es in unterschiedlichen Längen. Gestern brauchte ich einen Schraubbock mit 1m Höhe
Jetzt wird der Fräser gefordert. Der krumme Hintern des Werkstückes muss auf ebene Fläche gebracht werden. 80er Messerkopf ist Standardwerkzeug hierfür. Da dies die Unterseite des Gusses ist, liegen unter der Farbe (jedes Werkstück kommt lackiert vom Gießer) so manche Überraschungen. Meist sind es Sandeinschlüsse im Metall - und man hört die Wendeplatten bersten, wenn man so ein Sandnest trifft. Dann gibt es auch Fälle von Luftblasen im Metall. Ist mir gestern erst passiert - eine Stelle gefräst und plötzlich klappt ein Blechlappen wech und drunter ein ca. 80x30mm großes Loch.
Gestern war der Verschleiß von Wendeplatten (für mich) extrem. Die Teile starben im Minutentakt.
Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen und fragte, ob ich was falsch machen würde. Da hieß es nur: nö, das ist ganz normal. Ist einfach härteres Material. Späne waren blau statt goldfarben ...
Der Hintern hat ca. 8m² und wird ohne Programm abgefahren. Drehzahl ist fix, alles andere macht der (menschliche) Fräser. Eine Hand ist immer am Vorschub-Poti und man muss auf die Späne achten, weil man daran sehen kann, wenn die Wendeplatten hinüber sind.
Yo, bis hierher können schon 2 Tage (also 4 Schichten) vergangen sein.
Wenn der Boden halbwegs gerade geschruppt ist, wird das Teil umgedreht und wieder verspannt. Danach kommt der langweiligste Teil (in meinen Augen): das Schruppen der 3D-Fläche. Das passiert mit einem 60er Messerkopf und mit (CAM-generiertem) Programm. Das kann schon mehrere Tage laufen.
Einzige Aufgabe des Fräsers: aufpassen auf die Wendeplatten, diese bei Bedarf wechseln und Öl für die Maschine nachfüllen.
Durch die Fräserei kann sich das Werkstück ja auch wieder verziehen. Deshalb wird erst jede Seite geschruppt, bevor es dann an die Feinarbeiten geht. Aber die laufen sowieso auf einer anderen Maschine dann ...
Wenn die 3D-Fläche geschruppt ist, werden die Passungsflächen mit einem Igelfräser vorbereitet. Hier ist dann der NC-Programmierer gefordert. Die Passungsflächen werden mit eigenen Programmen bearbeitet. Die passen jedoch nicht mit dem (verzogenen) Werkstück zusammen. Also muss man erstmal mit dem Werkzeug ankratzen, um die Differenz festzustellen. Anschließend muss das Programm modifiziert werden, dass es iterativ zum gewünschten Ergebnis führt.
Mit mir hat ein junger Zerspanungsmechaniker (halbsoaltwieich und 10Jahre Berufserfahrung) angefangen und der ist jeden Tag am abkotzen. Weil man beim Aufspannen mit dem Meterstab statt der Messschraube hantieren muss, weil das Aufspannen so langwierig ist und man auf Hilfe von Kollegen angewiesen ist, weil die Wendeplatten so schnell sterben, ...
Es ist halt nen Hydraulikschraubstock gewöhnt, der schon eingerichtet ist und bleibt, Werkstücke, die man mit einer Hand tragen kann ...
Ich (bekennender Grobmotoriker ) dagegen finde es spannend und freue mich jeden Tag aufs Neue
Gruß Reinhard
heute beschreibe ich mal, wie das Aufspannen eines Teiles auf dem Bohrwerk abgeht. Sieht man mal von dem Mikro-BAZ ab, welches fast ausschließlich für die Vermittlung von Leerinhalten verwendet wird, ist das Bohrwerk, auf dem ich eingelernt werde, die kleinste Maschine im Betrieb.
Der blaue Turm auf dem letzten Bild ist eine vertikale Spannfläche. Von diesen Türmen gibt es vier nebeneinander. Abstand der Türme so, dass ich (Obelix) mit Müh und Not gerade so reinpasse ...
Tischbreite ist ca. 1m, die Höhe der Türme ca. 4m - Höhe des Tisches ist auf Fußboden-Niveau.
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Werkstücke verzogen/gebogen sind. Deshalb werden sie im ersten Schritt mit dem Hintern zur senkrechten Spannfläche für alle Achsen ausgerichtet (Toleranz 5 Zehntel). Dafür finden sich im Guß Bezugspunkte (2 für jede Achse).
Danach wird das Teil mit Spannpratzen an der senkrechten Spannfläche und am Boden fixiert.
Jetzt werden 4 vertikale Flächen (die außerhalb der eigentlichen 3D-Fläche liegen) auf definierte Z-Werte gefräst. Angestrebt wird eine Flächengröße von 150mm Durchmesser. Genommen wird, was da ist. Jede Fläche erhält einen exakten Millimeter-Wert (also 0 nach dem Komma). Toleranz diesmal: 1/100tel
An der Unterseite werden 2 Flächen auf den gleichen (Y-)Wert gefräst.
Anschließend wird das Teil abgespannt und umgedreht - jetzt also Gesicht zur senkrechten Spannfläche.
Die waagerechten Fräsflächen werden auf Endmaße abgestellt. Das Teil hängt immer noch am Kran und ist ca. einen halben Meter von der senkrechten Spannfläche entfernt.
Nun werden Aluzylinder mit T-Nut-Schrauben an den senkrechten Spannflächen befestigt, sodass sie in Verlängerung der gefrästen Flächen stehen. Sind die vier Aluzylinder positioniert, wird das Teil wieder von der Maschine entfernt.
Die Aluzylinder werden jetzt fest mit der senkrechten Spannfläche verschraubt (Anzugsmoment = Schraubenschlüssel mit Verlängerung mal Körpergewicht ) und danach auf das zugehörige Maß der Fräsflächen abgefräst. Auch hier wieder Toleranz 1/100tel.
Nach dem Vermessen der Aluzylinder wird das Teil wieder auf die Maschine gefahren und diesmal an die Aluzylinder angelegt und auf die Endmaße aufgelegt.
Das Teil muss mit Spannpratzen wieder senkrecht und waagerecht fixiert werden. Diesmal mit mehr Spannpratzen, da stärkere Kräfte aufs Teil einwirken werden.
Anschließend erfolgt nochmal ein Vermessen zur Kontrolle - Toleranz: 1/100tel
Als kleiner Größenvergleich: die Aluzylinder und die Spannpratzen werden mit Gewindestangen M24 verschraubt. Die Spannpratzen werden mit Schraubblöcken fixiert. Mit den Schraubböcken wird auch das Werkstück an geeigneten Stellen zusätzlich fixiert, um Resonanzen zu verringern ...
Die Schraubböcke gibt es in unterschiedlichen Längen. Gestern brauchte ich einen Schraubbock mit 1m Höhe
Jetzt wird der Fräser gefordert. Der krumme Hintern des Werkstückes muss auf ebene Fläche gebracht werden. 80er Messerkopf ist Standardwerkzeug hierfür. Da dies die Unterseite des Gusses ist, liegen unter der Farbe (jedes Werkstück kommt lackiert vom Gießer) so manche Überraschungen. Meist sind es Sandeinschlüsse im Metall - und man hört die Wendeplatten bersten, wenn man so ein Sandnest trifft. Dann gibt es auch Fälle von Luftblasen im Metall. Ist mir gestern erst passiert - eine Stelle gefräst und plötzlich klappt ein Blechlappen wech und drunter ein ca. 80x30mm großes Loch.
Gestern war der Verschleiß von Wendeplatten (für mich) extrem. Die Teile starben im Minutentakt.
Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen und fragte, ob ich was falsch machen würde. Da hieß es nur: nö, das ist ganz normal. Ist einfach härteres Material. Späne waren blau statt goldfarben ...
Der Hintern hat ca. 8m² und wird ohne Programm abgefahren. Drehzahl ist fix, alles andere macht der (menschliche) Fräser. Eine Hand ist immer am Vorschub-Poti und man muss auf die Späne achten, weil man daran sehen kann, wenn die Wendeplatten hinüber sind.
Yo, bis hierher können schon 2 Tage (also 4 Schichten) vergangen sein.
Wenn der Boden halbwegs gerade geschruppt ist, wird das Teil umgedreht und wieder verspannt. Danach kommt der langweiligste Teil (in meinen Augen): das Schruppen der 3D-Fläche. Das passiert mit einem 60er Messerkopf und mit (CAM-generiertem) Programm. Das kann schon mehrere Tage laufen.
Einzige Aufgabe des Fräsers: aufpassen auf die Wendeplatten, diese bei Bedarf wechseln und Öl für die Maschine nachfüllen.
Durch die Fräserei kann sich das Werkstück ja auch wieder verziehen. Deshalb wird erst jede Seite geschruppt, bevor es dann an die Feinarbeiten geht. Aber die laufen sowieso auf einer anderen Maschine dann ...
Wenn die 3D-Fläche geschruppt ist, werden die Passungsflächen mit einem Igelfräser vorbereitet. Hier ist dann der NC-Programmierer gefordert. Die Passungsflächen werden mit eigenen Programmen bearbeitet. Die passen jedoch nicht mit dem (verzogenen) Werkstück zusammen. Also muss man erstmal mit dem Werkzeug ankratzen, um die Differenz festzustellen. Anschließend muss das Programm modifiziert werden, dass es iterativ zum gewünschten Ergebnis führt.
Mit mir hat ein junger Zerspanungsmechaniker (halbsoaltwieich und 10Jahre Berufserfahrung) angefangen und der ist jeden Tag am abkotzen. Weil man beim Aufspannen mit dem Meterstab statt der Messschraube hantieren muss, weil das Aufspannen so langwierig ist und man auf Hilfe von Kollegen angewiesen ist, weil die Wendeplatten so schnell sterben, ...
Es ist halt nen Hydraulikschraubstock gewöhnt, der schon eingerichtet ist und bleibt, Werkstücke, die man mit einer Hand tragen kann ...
Ich (bekennender Grobmotoriker ) dagegen finde es spannend und freue mich jeden Tag aufs Neue
Gruß Reinhard